Düsseldorf Löste Großmann Grube-Rücktritt aus?

Düsseldorf · Der Stahl-Manager soll in der entscheidenden Aufsichtsratssitzung die Vertragsverlängerung infrage gestellt haben.

Am Tag nach dem großen Knall dringen Stück für Stück Details über den spektakulären Abgang von Bahnchef Rüdiger Grube ans Tageslicht. Wie unsere Redaktion aus Aufsichtsratskreisen erfuhr, hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) noch im Dezember seinen Staatssekretär Michael Odenwald zu Grube entsandt, der diesem eine Vertragsverlängerung um zwei Jahre vorgeschlagen haben soll. Der Bahnchef soll dies zurückgewiesen haben. Mindestens drei Jahre wollte er noch bleiben. Nach einigem Zögern gab Dobrindt nach und stimmte der längeren Vertragsdauer zu.

In Regierungskreisen hieß es gestern, am Freitagabend sei dann eigentlich alles in trockenen Tüchern gewesen. Der Personalausschuss des Bahn-Aufsichtsrates, dem Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht, sein Vize Alexander Kirchner, der zugleich Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft ist, Verkehrsstaatssekretär Michael Odenwald und Jens Schwarz, Vorsitzender des Bahn-Konzernbetriebsrats, angehören, segneten einstimmig den Drei-Jahres-Vertrag ab. Ein Protokoll der Sitzung sei noch am Abend an die Mitglieder des Aufsichtsrates verschickt worden. Die Zustimmung bei der Sitzung des kompletten Gremiums am Montag galt deshalb als Formsache.

Doch es kam anders. In Regierungskreisen hieß es, Aufsichtsrat Jürgen Großmann, Eigner der Georgsmarienhütte, soll während der Sitzung überraschend das Wort ergriffen und Fragen nach Grubes Bilanz aufgeworfen haben: Die Pünktlichkeit lasse weiter zu wünschen übrig, das W-Lan in den Zügen sei zu spät eingeführt worden und so weiter. Urplötzlich stand die Vertragsdauer wieder zur Debatte. Wohl auch, weil die Arbeitnehmervertreter sich mit kritischen Beiträgen beteiligten. Aus dem Arbeitnehmerlager wurde diese Darstellung gestern heftig zurückgewiesen. Für die Besetzung des Chefpostens sei der Bund zuständig, hieß es. Man habe sich nicht eingemischt.

Unabhängig davon stimmen die Darstellung von Grubes Reaktion überein. Dieser habe extrem dünnhäutig reagiert und sei zu keinem weiteren Gespräch mehr bereit gewesen. Er warf hin. Nach einem kurzen Schock stimmte das Kontrollgremium der Entbindung zu - und ging dann, als wäre nichts gewesen, zurück zur Tagesordnung über, besprach die Themen Digitalisierung und die Probleme im Güterverkehr.

In Bahnkreisen wurde vermutet, Großmann habe das Fass Vertragsverlängerung nicht auf eigene Faust aufgemacht, sondern sei von Dobrindts Staatssekretär Odenwald und dem Staatssekretär aus dem Finanzministerium, Johannes Schmalzl, vorgeschoben worden.

Formal muss sich nun der Personalausschuss mit der Nachfolgersuche befassen. Am Montag wollen sich die Mitglieder zusammensetzen und über das weitere Vorgehen beraten. Einen Stillstand, so heißt es aus dem Umfeld des Aufsichtsrates, dürfe es jetzt nicht geben. "Ungeachtet der Qualitäten von Finanzchef Richard Lutz wäre es unvernünftig, acht Monate lang zu warten, ehe man sich für eine langfristige Lösung entscheidet", sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person. Diese Lösung wird aber voraussichtlich im politischen Raum getroffen - der Vorschlag darf einer Zusatzvereinbarung zum Koalitionsvertrag zufolge vonseiten der CDU kommen.

Die Opposition ist entsprechend alarmiert. Die Grünen-Fraktion im Bundestag beantragte ebenfalls für den kommenden Montag eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses, zu der auch Dobrindt eingeladen werden soll.

Fast schon hämisch fiel gestern die Bewertung des Grube-Rücktritts vonseiten der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) aus: "Rüdiger Grube ist 2009 mit dem Versprechen angetreten, sich um das Brot-und Butter-Geschäft, den Schienenverkehr in Deutschland, zu kümmern", sagte GDL-Chef Claus Weselsky. "Das war ein ehrenwertes Vorhaben, doch angesichts des desaströsen Zustands der Schiene bleibt vor allem eines festzuhalten: Er hat sein Versprechen nicht gehalten."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort