Düsseldorf Lucky Strike kauft Camel

Düsseldorf · Für einen Preis von 46 Milliarden Euro schmiedet British American Tobacco den größten Tabak- konzern der Welt. Von Georg Winters

Die Tabakindustrie ist eines der treffendsten Beispiele dafür, dass die Produkte einer Branche weitaus bekannter sind als die Namen der Anbieter. Alle, die rauchen oder irgendwann mal gequalmt haben, kennen Marlboro, Camel, Lucky Strike, Lord, die von den Traditionalisten verschmähten Menthol-Zigaretten, die lange als Frauen-Produkt galten. Aber Altria, Reynolds oder Lorillard? Vielleicht noch British American Tobacco (BAT), weil da wenigstens noch das englische Wort für Tabak drinsteckt.

Jetzt ist der Name des Konzerns mal wieder in den Schlagzeilen. Umgerechnet 46,3 Milliarden Euro zahlen die Briten für die Übernahme von knapp 53 Prozent am US-Konkurrenten Reynolds, den sie künftig komplett besitzen. BAT schwingt sich zum Branchenführer auf, zum größten börsennotierten Tabakkonzern der Welt. Die Briten und der unter anderem mit der Marke Camel bekannt gewordene Konkurrent Reynolds (der das internationale Camel-Geschäft vor Jahren an Japan Tobacco vekaufte) überholen gemeinsam den Marlboro-Produzenten Philip Morris, dessen Geschäft in den USA seit 2003 unter dem Namen Altria geführt wird. Die künftige Nummer eins der Branche vereinigt unter anderem Tabakmarken wie Lucky Strike, Pall Mall, Dunhill, Lord und Rothmans und gehört zu den Konzernen, die sowohl in den USA als auch in der alten Welt stark vertreten sind.

46 Milliarden Euro für 53 Prozent - die Offerte liegt etwa sechseinhalb Milliarden Euro über dem Börsenwert für dieses Paket. BAT hat auf sein ursprüngliches Angebot 1,8 Milliarden Euro draufgelegt und dafür gestern die geradezu börsentypische Quittung in Form von Kursverlusten bekommen, während die Reynolds-Aktie mehr als drei Prozent zulegte. Der Preis ist indes ein Zeichen dafür, dass sich die Briten durch den Zusammenschluss neues Wachstum erhoffen. Die Zuversicht gründet sich vermutlich vor allem auf den Markt für E-Zigaretten, auf dem Reynolds in den USA ein starker Player ist, und auf Geschäftsaussichten in den Schwellenländern.

Im guten alten Europa schrumpft die Zahl der klassischen Raucher dagegen immer weiter. In Deutschland beispielsweise greift nur noch jede(r) Dritte zu Zigarette, Zigarre oder Pfeife. Zum Vergleich: Kurz nach dem Krieg rauchten in der alten Bundesrepublik gerade mal zwölf Prozent der Männer nicht. In den 60er Jahren wurde in Kino- und Fernsehfilmen gequarzt ohne Ende, und keine Folge von "Der Komissar" verging, ohne dass der Titelheld namens Keller eine Fluppe im Mund gehabt hätte.

Lange her. In Deutschland ist die Zigarettenproduktion laut Branchenverband DZV binnen eineinhalb Jahrzehnten um die Hälfte auf gut 81 Milliarden Zigaretten pro Jahr geschrumpft. Auf jeden Deutschen entfallen damit im Schnitt weniger als drei Zigaretten pro Tag. Die Menschen lebten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend gesundheitsbewusster; das Rauchverbot im öffentlichen Leben ist stark ausgeweitet worden; die Steuer verlangt den Rauchern immer mehr Geld ab; die Schockwerbung, zu der die Tabakkonzerne seit Mai 2016 verpflichtet sind, hat weitere Menschen vom Tabakgenuss abgeschreckt.

Von denen, die sich das Rauchen trotzdem nicht vermiesen lassen wollen, sehnen sich manche nach den 60er und 70er Jahren zurück. Nach Zeiten, in denen ein Mann "meilenweit für seine Camel Filter" ging - so weit, dass seine Schuhe in einer höchst telegenen Art und Weise löchrig wurden. Eine Werbung, die Abenteuer und Freiheit suggerierte, die Rauchen für die Generation der 70er-Jahre-Teenies zum Zeichen von Männlichkeit werden lassen sollte. Ihr Erfolg nahm über Jahre hinweg nicht mal dadurch Schaden, dass John Wayne, der der Camel-Werbung als Testimonial diente, 1979 an Lungenkrebs starb. Dann kam 1974, der Anfang vom Ende der Erfolgsstory. In dem Jahr zündete sich der Camel-Mann seine letzte Zigarette im Dschungel an, ehe das Tabakwerbeverbot auf deutschen Bildschirmen seine Fernseh-Karriere auslöschte.

Seither ist das Geschäft für die Branche nicht einfacher geworden. In einer Zeit wie heute, in der Tabakkonsum den Betroffenen fast schon wie ein Makel anhaftet, tobt der Kampf um Marktanteile heftiger denn je, nimmt die Fusionitis immer größere Ausmaße an. Es ist gerade mal zwei Jahre her, da hat Reynolds den damaligen Branchendritten Lorillard für mehr als 27 Milliarden Dollar übernommen. Und schon jetzt sind sich Experten einig, dass der Deal zwischen BAT und Reynolds nicht der letzte dieser Art gewesen ist.

Bei Camel denken heute vermutlich die meisten eher an Kleidung als an Zigaretten. Und - falls Sie den Gedanken an die Glaubwürdigkeit von Werbung doch noch pflegen sollten: Dieter Scholz, der in den 70er-Jahren als Camel-Mann Werbe-Karriere machte, hat nie wirklich geraucht. Und das Loch im Schuh kam von einem Schleifstein. Ohne meilenweites Laufen durch die Serengeti.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort