Toulouse "Major Tom" steht unter Druck

Toulouse · Airbus-Chef Tom Enders muss beim Flugzeugbauer eine Korruptionsaffäre aufarbeiten, die den Konzern eine Milliarde Euro kosten könnte. Der Manager selbst gerät unter Aufklärungsdruck.

Die Geschichte von "Major Tom" ist schon ein paar Mal erzählt worden. In "Space Oddity" ließ David Bowie 1968 einen Raumfahrer ohne Kontakt zur Erde durchs Weltall treiben, in "Ashes to Ashes" machte der Anfang 2016 verstorbene britische Musiker aus dem Astronauten einen Junkie. Peter Schillings "Major Tom" war wiederum Raumfahrer, sein Interpret mit ihm einer der Stars der Neuen Deutschen Welle zu Beginn der 80er.

Völlig losgelöst von der Pophistorie hat der "Major Tom" der non-fiktiven Luft- und Raumfahrt keine Gravitations-, aber doch gravierende Probleme: Tom Enders (58), Chef des Airbus-Konzerns, muss im eigenen Haus eine Korruptionsaffäre aufarbeiten. Der gebürtige Westerwälder, der seinen Spitznamen seiner Karriere bei der Bundeswehr verdankt (der Major der Reserve war dort Fallschirmjäger), spricht in einem Brief an die Mitarbeiter von der "Möglichkeit schwerwiegender Konsequenzen, einschließlich erheblicher Strafen für das Unternehmen". Von einer Milliarde Euro an möglichen Belastungen ist die Rede. Das wäre viel Geld, aber vermutlich leichter zu verschmerzen als ein international wirksamer Ausschluss von Ausschreibungen bei Rüstungsgeschäften. Auch der könnte Airbus drohen.

Es geht bei den Anschuldigungen um schwarze Kassen, mit denen Mittelsmänner den Verkauf von Verkehrsflugzeugen in mehreren Ländern für Airbus angeschoben haben sollen, und um angeblichen Betrug beim Verkauf von Eurofightern nach Österreich. Wegen des Schmiergeld-Verdachts wird in Großbritannien und Frankreich ermittelt, im Eurofighter-Skandal sind die Staatsanwaltschaften in München und Wien aktiv. Ermittelt wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft München gegen 16 Beschuldigte. Der Konzernchef sei nicht darunter, teilte die Behörde mit.

Und doch wächst der Druck auf Enders. In Wien ermittelt anders als in München die Staatsanwaltschaft sehr wohl gegen ihn. Enders war in den 2000er Jahren Chef der Rüstungs-Sparte des damaligen EADS-Konzerns, und in diese Zeit fallen Eurofighter-Verkäufe. Enders hat aber alle Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen.

Aber der Vorstandsvorsitzende hat offenbar selbst das Gefühl, er könnte in den Schlamassel hineingezogen werden - ob zu Recht oder nicht. Jedenfalls hat Enders in dem Brief an die Belegschaft geschrieben, es sei mit "Versuchen Einzelner zu rechnen, im eigenen Interesse das Topmanagement zu diskreditieren". Das klingt so, als ob unter anderem die Ex-Vermittler versuchen könnten, das Management zu belasten, nachdem Airbus unter Enders solche Zahlungen eingestellt hat. Den Einsatz dieser Vermittler hätte Airbus in Großbritannien den Behörden melden müssen, um Exportbürgschaften der Regierung in London zu bekommen. Das hat der Konzern nicht getan; als die Verantwortlichen dies bemerkten, meldeten sie nach. So kamen die Untersuchungen ins Rollen.

Enders verweist in dem Schreiben an die Mitarbeiter übrigens auch darauf, dass er den Rückhalt des Verwaltungsrates habe. Das beabsichtigte Signal an die Untergebenen: Ich stehe hier nicht als Verdächtiger, sondern als Aufklärer. Also seid bitte auf meiner Seite, dann ziehen wir gemeinsam den Karren aus dem Dreck.

Ein bisschen Beruhigung soll wohl guttun. Denn die interne Untersuchung, mit der der Spitzenmanager die Aufklärung vorantreiben und damit zumindest auf der britischen Insel einen Vergleich mit den Behörden möglich machen will, hat im eigenen Haus Unruhe ausgelöst. Ob und - wenn ja - welche aktuellen und ehemaligen Mitglieder des Airbus-Vorstands von den in Rede stehenden Vorgängen gewusst haben könnten, ist die eine Frage. Die andere: Mussten die ganz oben die Strukturen kennen, und hätten sie das Desaster verhindern können oder müssen?

Auf jeden Fall hat sich Airbus die Dienste eines prominenten Rechtsbeistands gesichert: Peter Gauweiler (68), langjähriger CSU-Politiker, vertritt Airbus.

(RP)
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