Sinkende Milchpreise Milchbauern müssen weiter auf Hilfe warten

Hannover/Berlin · Die Regierung konnte sich noch nicht auf eine Regelung zur Unterstützung der Bauern verständigen. Die Milchkrise war auch Thema beim Bauerntag.

 Im Juli sollen Gespräche über Hilfen für Milchbauern in Brüssel stattfinden.

Im Juli sollen Gespräche über Hilfen für Milchbauern in Brüssel stattfinden.

Foto: dpa, Carmen Jaspersen

Die deutschen Milchviehhalter müssen sich weiter in Geduld üben und können nicht auf schnelle Hilfsgelder hoffen. Nach Informationen unserer Redaktion ist am Mittwochnachmittag ein Gespräch zwischen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu dem Thema ergebnislos verlaufen. Wie aus Regierungskreisen zu hören war, bestehe zwar die Erkenntnis, dass etwas geschehen müsse, um den Milchbauern in der Krise unter die Arme zu greifen. Konkrete Summen oder ein Zeitplan für ein nationales Hilfsprogramm würden vor der Sommerpause aber nicht mehr vereinbart, hieß es.

Ab Ende kommender Woche wird es bis Anfang September keine Sitzungen des Bundestages geben. In Brüssel sollen im Juli jedoch noch Gespräche über Hilfsprogramme für Milchbauern geführt werden. Agrarminister Schmidt hatte nach einem Treffen mit Vertretern von Bauern, Molkereien und Handel Ende Mai von "100 Millionen Euro plus X" für die Bauern gesprochen. Allen Landwirten sollen demnach mindestens 78 Millionen Euro für Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung zugutekommen, die im Bundeshaushalt für 2017 eingepreist sind. Zudem soll es steuerliche Vergünstigungen für Milchbauern geben.

Für das "X" hofft Schmidt dem Vernehmen nach auf zusätzliche 150 Millionen Euro für Milchhöfe. Die Summe soll sich zu je 50 Millionen Euro aus Geldern des Bundes, der EU und der deutschen Bundesländer zusammensetzen. An die Förderung will Schmidt Auflagen wie eine Mengendisziplin knüpfen. Schließlich ist der Hauptgrund für den sinkenden Milchpreis die unkontrollierte Milchschwemme am Markt. Ein Liter Milch kostete zuletzt weniger als 50 Cent. Die Milchbauern bekommen von den Molkereien lediglich rund 20 Cent pro Liter, teils weniger. Damit können sie nicht kostendeckend wirtschaften.

Die zuständige Vize-Chefin der Unionsfraktion, Gitta Connemann (CDU), forderte Soforthilfen und Strukturmaßnahmen. Der Handel betreibe einen Preiskrieg auf dem Rücken der Landwirte, sagte sie.

Die Milchkrise war gestern auch ein beherrschendes Thema auf dem Deutschen Bauerntag in Hannover, bei dem sich die Vertreter der Landwirtschaft trafen, um über die Probleme ihrer Branche zu sprechen. "Wir brauchen keinen Staat oder Verband, der uns sagt, wie viel wir zu produzieren haben", sagte der Vorsitzende des Fachausschusses Milch, Udo Folgart. Diskussionen um Reduzierungen der Milchmenge seien zudem "politische Geisterdebatten." Dennoch erneuerte er die Forderung nach kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen. Am heutigen zweiten Tag des Treffens wird Agrarminister Schmidt in Hannover erwartet - dann dürfte es noch einmal eine heftige Diskussion geben.

Die Misere der Milchbauern war jedoch nicht das einzige Thema der Tagung. Deutschlands Landwirte kämpfen derzeit auch mit gesunkenen Preisen auf dem Weltmarkt und dem russischen Importstopp für Agrarprodukte aus der EU als Reaktion auf die europäischen Sanktionen nach der Krim-Krise. Gestern verlängerte Russlands Präsident Wladimir Putin die Sanktionen bis Ende 2017. Inmitten dieser schwierigen Phase, in der sich die Landwirtschaft derzeit befinde, bedürfe es daher keinerlei Maßregelungen durch Politik und Umweltverbände - vor allem beim Thema Agrarwende, also der Umstellung auf eine nachhaltigere Produktion, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. "Wir brauchen keine Agrarwende - die deutschen Bauern wirtschaften nachhaltig", sagte er.

Rückendeckung aus Brüssel kam unterdessen beim Thema Glyphosat: Nachdem sich die EU-Staaten bis gestern nicht auf eine Einigung über die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters von Monsanto (siehe Börsen-Seite) verständigen konnten, entschied die EU-Kommission nun, die Zulassung um weitere 18 Monate zu verlängern. Bis dahin soll die europäische Chemikalienagentur Echa eine Bewertung zu möglichen Gesundheitsrisiken vorlegen. Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Nutzung innerhalb der EU wäre ab Freitag verboten gewesen.

Während die Entscheidung der EU die Forderung der Bauern bestätigt, gibt es vonseiten der SPD Kritik: Die Zulassung missachte das Vorsorgeprinzip, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks. Denn noch sei nicht zweifelsfrei geklärt, ob Glyphosat der Gesundheit schade oder nicht. Vertreter der Industrie kritisierten hingegen, die Zulassung für 18 Monate sei zu kurz - und forderten eine Genehmigung für 15 Jahre.

(jd)
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