Düsseldorf/Barcelona Mobilfunkboom bedroht Netzstabilität

Düsseldorf/Barcelona · Ab Montag kommt in Barcelona die Elite der Telefon- und Handykonzerne zusammen. Der Datenverkehr geht extrem hoch, Smartphones werden noch besser – und ein vielversprechendes neues Betriebssystem kommt auf den Markt.

Mobilfunknetze sind stabil? Sicher ist sich die Branche nicht. Besucher des am Montag beginnenden "Mobile World Congress" erfahren ausdrücklich, dass auf der global wichtigsten Mobilfunk-Messe das stationäre W-Lan-Netz ausgebaut wurde. Sprich: Auf die echten Handy-Netze soll man nicht angewiesen sein.

Der Hinweis bestätigt, wie der Boom von Smartphones und Tablet-PC sowie Laptop mit Mobilfunkmodem zunimmt. Am Donnerstag stellte Google den Laptop Chromebook Pixel vor, der Daten fast komplett im Internet speichert – das geht nur mit massenhaft Datentransfer unterwegs. Apple ließ eine Datenuhr patentieren – auch das Gerät würde Kapazitäten brauchen.

Mindestens 600 Millionen Smartphones werden dieses Jahr weltweit abgesetzt werden – vor vier Jahren war es weniger als die Hälfte. Nokia erweitert zur Mobile World seine Lumia-Familie rund um Windows Phone, Sony bringt neue Geräte, Blackberry greift wieder an, Samsung folgt kurz nach der Messe mit dem erwarteten Galaxy-S4-Spitzenmodell – mehr als 20 neue Smartphones kommen aktuell auf den Markt.

Der Trend: Immer größere, hochauflösende Displays werden fast schon Standard, Kameras mit bis zu 13 Megapixel sowie Acht-Kern-Prozessoren sind keine Seltenheit, besonders schnelle Datenübertragung über die neue Technik LTE kommt in Mode, brauchbare Geräte gibt es aber gleichzeitig aber schon ab 100 Euro. "Das Handy ist der moderne Computer für viele Menschen", sagt Roman Friedrich, Partner der Strategieberatung Booz, "doch die immer höhere Datennutzung treibt die Netze an ihre Belastungsgrenzen."

Was das bedeutet, merkt Friedrich regelmäßig bei der Fahrt in sein Büro am Düsseldorfer Medienhafen: "Immer häufiger verliert mein Smartphone den Kontakt zum Mobilfunknetz. Der Smartphone-Boom hat gerade in den Großstädten schon einige Nachteile."

Im Trend verändert sich damit der Wettbewerb der Telefonkonzerne. "Deutschland wird zur digitalen Gesellschaft. Über die Hälfte aller deutschen Internetnutzer geht bereits mit Smartphone oder Tablet mobil ins Netz und der Anteil wächst schnell weiter", sagt Jens Schulte-Bockum, Deutschland-Chef von Vodafone.

Die Folge: Erstens differenziert sich die Branche mehr als vor Jahren auch durch die Qualität der Netze. Vodafone und Telekom liegen vorne bei LTE und investieren so viel wie seit Jahren nicht, O2 hinkt etwas hinterher, E-Plus hat keine Alternative, als nun mit vielen Hundert Millionen Euro stark aufzurüsten.

Zweitens setzen alle Wettbewerber vorrangig auf Datenpakete, um Kunden zu ködern. "Reine Sprache zählt nicht mehr viel", sagt Berater Friedrich, "die neuen Umsätze kommen aus dem Datengeschäft."

Dabei verabschiedet sich die Branche langsam von echten Flatrates. Bei immer mehr Angeboten wird das Surf-Tempo ab einem bestimmten "verbrauchten" Datenvolumen gedrosselt. Vielsurfer und professionelle Nutzer mag das stören – oder sie zahlen Aufschläge – , viele andere Kunden müssen das fast begrüßen: Denn nur wenn Extremnutzer die Netze nicht überlasten, bleibt die mobile Datenautobahn für die Masse attraktiv.

(RP)
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