Moskau Moskau muss Erzfeind 50 Milliarden zahlen

Moskau · Gezielt hatte Russland vor zehn Jahren den Ölkonzern Yukos in die Pleite getrieben. Jetzt steht den früheren Inhabern Schadenersatz zu, urteilte ein Gericht. Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski freut sich - ebenso Eon aus Düsseldorf.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat gestern eine verheerende Niederlage hinnehmen müssen. Russland muss den Aktionären des früheren Ölkonzerns Yukos rund 50 Milliarden Dollar (umgerechnet 37 Milliaden Euro) an Schadenersatz zahlen. Das entschied der dafür zuständige Schiedsgerichtshof in Den Haag gestern. Yukos sei vom Kreml "aus politischen Gründen" zerschlagen worden, verkündeten die drei Richter - das ist eine Ohrfeige für Wladimir Putin, der Yukos vor zehn Jahren zuerst in die Pleite getrieben und dann zerschlagen hatte.

Das Urteil ist eine Genugtuung für Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski. Der eher liberale Oligarch und Putin-Gegner war 2004 zuerst wegen angeblicher Korruption verhaftet worden, bevor der Kreml den Konzern mit angeblich fälligen Steuerforderungen von 27 Milliarden Dollar in die Pleite getrieben hatte. "Es ist fantastisch, dass die Aktionäre die Chance erhalten, die ihnen entstandenen Verluste zurückzubekommen", teilte Chodorkowski mit. Er selber gehöre aber nicht zu den Klägern und wolle finanziell auch nicht von dem Entscheid profitieren, sagte er.

Ob Partner von ihm aber doch an ihn einen Teil der gigantischen Entschädigung weiterleiten, lässt sich schwer beurteilen; der einst reichste Russe lebt nach seiner spektakulären Freilassung aus dem Arbeitslager Ende vergangenen Jahres in der Schweiz. Er hatte seine Aktien bereits 2004 an Vertraute wie den in Israel lebenden Leonid Newslin übergeben.

Das Urteil hat sowohl für die internationale Politik als auch für deutsche Energiekonzerne wie speziell die Düsseldorfer Eon hohe Bedeutung. Denn Rechtsgrundlage des Urteils ist die von Russland im Jahr 1994 mit unterschriebene europäische Energiecharta. Sie sieht einen umfassenden Schutz von Investitionen vor. Damit wäre es für Russland extrem riskant, als Reaktion auf die jetzt anstehenden Sanktionen des Westens im Gegenzug westliche Investitionen zu enteignen. Und davon wäre Eon im Falle des Falles mehr betroffen als viele andere Unternehmen Europas - der Konzern ist mit fünf Kraftwerken laut eigener Darstellung "größter ausländischer Investor auf dem russischen Energiemarkt".

Noch wichtiger ist aber, dass Putins Politik der immer stärkeren Zentralisierung der Macht an einem wichtigen Punkt gescheitert ist. Immerhin ist der zu zahlende Betrag halb so hoch wie die Haushaltsreserven von Russland. Immerhin rutscht Russland wegen der Ukraine-Krise sowieso in die Rezession. Und immerhin sind die Chancen auf eine Korrektur der Entscheidung schlecht: Russland will zwar Einspruch gegen das Urteil einlegen und behauptet, es sei "fehlerhaft" - doch nach zehn Jahren Verfahrensdauer sehen Experten nur wenige Chancen auf ein neues Urteil. Damit drohen ab nächstem Jahr Pfändungen gegen russisches Vermögen im Ausland, falls der Staat nicht freiwillig zahlt - egal wie es kommt, wäre es für Putin schwer zu verkraften.

Dabei droht Russland bereits am Donnerstag die nächste juristische Niederlage. Frühere Yukos-Manager haben den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wegen der Enteignung angerufen, und das Urteil wird für Donnerstag erwartet.

Die gestrige Entscheidung aus Den Haag belastete bereits russische Aktien. Die Papiere des nunmehr größten russischen Ölproduzenten Rosneft verloren 2,5 Prozent. Der staatseigene Konzern hatte sich den größten Teil von Yukos einverleibt.

(RP)
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