Serie: Digitale Revolution Multi-Channel - die Zukunft des Handels

Düsseldorf · Kunden sollen bestellen, kaufen, abholen und zahlen können, wann, wo und wie sie wollen. In Teilen ist das schon so.

Es ist so einfach: Wenn ich ein Buch lesen will, suche ich im Internet danach. Ein paar Klicks, das Buch ist bestellt, ich zahle per Kreditkarte, Paypal oder Gutschein. Das Buch kommt mit der Post oder - noch bequemer - als E-Book auf den Reader. Zwei Minuten nach dem Kauf kann ich lesen. Versuchen Sie das mal im Buchladen.

So oder ähnlich funktioniert die Argumentation derer, die sich dem Online-Einkauf verschrieben haben, ihren Urlaub übers Internet buchen, ihre Schuhe im Netz bestellen, Smartphone und Laptop genauso. Ihnen entlockt der Versuch des stationären Einzelhandels, die Kundschaft über den Erlebnis-Einkauf in den Laden (zurück)zuholen, ein müdes Lächeln. Dabei ist das die einzige Chance der Online-Totalverweigerer. "Der reine stationäre Einzelhandel hat eine Überlebenschance, aber er muss sich Nischen suchen, er muss mit Service und Beratung punkten, er muss ein Einkaufserlebnis bieten", sagt Stefan Hertel, Sprecher des Einzelhandelsverbandes HDE. Gegen den eigenen Untergang, gegen die vielbefürchtete Verödung der Innenstädte.

Das ist die eine Variante, in der eine über Jahre krisengeschüttelte Branche den Gegenangriff auf Amazon und Co. startet. Doch mit zunehmender Internet-Affinität auch der älteren Jahrgänge wächst die Zahl derer, die weder auf das weltweite Netz noch auf das Ladenlokal verzichten wollen. Das Institut für Handelsforschung (Köln) fand zu Jahresbeginn heraus, dass jeder dritte Verbraucher weniger in die Innenstadt fährt als früher und dass vor allem Frauen sich beim Online-Shopping vergnügen. Aber ein knappes Viertel, das sich als Internet-Einkäufer outete, nutzt gleichzeitig den stationären Handel.

Und deshalb heißt die wahre Zukunft, die vielerorts schon Gegenwart ist: Multi-Channel. Dahinter verbirgt sich die Verbindung aller Absatzkanäle in allen Stufen des Kaufs. Zu deutsch: Der Kunde soll im Laden, am Rechner, per Smartphone oder wo auch immer gucken und bestellen können, er soll selbst entscheiden, welchen Zahlungsweg er wählt, und er legt auch fest, ob er direkt im Laden kauft, später abholt oder sich die Ware nach Hause schicken lässt. Das Internet und das Ladenlokal können jeder für sich Verkaufsort sein, aber genauso gut auch nur Showroom als Appetitmacher. Die großen Handelskonzerne nutzen diese Möglichkeiten längst, die Mode-Anbieter auch. Metro-Chef Olaf Koch ist nur einer von denen, die "Multi-Channel" regelmäßig als Segen für den Handel bezeichnen und das Wachstum im Internet-Geschäft preisen - ungeachtet der Tatsache, dass viele Koch und Co. vorwerfen, der deutsche Handel habe den Online-Trend über Jahre verschlafen.

Der einzige Bereich, in dem online noch weniger gut funktioniert, ist der Lebensmittel-Handel. "Nur ein Prozent des Umsatzes geht über das Internet", sagt HDE-Sprecher Hertel. Aber auch das wird sich ändern, wenn die Zahl der Senioren steigt, die im Alter den mitunter beschwerlichen Weg zum Einkaufen scheuen. Die könnten dann mehr als heute online bestellen und die Ware nach Hause geliefert bekommen.

In sechs Jahren soll der übers Internet generierte Umsatzanteil von heute knapp neun auf 20 Prozent steigen. Doch was heute noch eine Kennziffer für die Tauglichkeit des eigenen Geschäftsmodells ist, wird bei zunehmendem Multi-Channel-Verkauf immer unwichtiger. "In zehn Jahren wird man die Unterscheidung zwischen Online- und stationären Umsätzen gar nicht mehr treffen," sagt Hertel voraus.

(RP)
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