Düsseldorf Nachhilfe für Kraftfahrer im Handwerk

Düsseldorf · Ab September 2014 gelten strenge EU-Richtlinien für den Auslieferungsverkehr. Die Nachschulungen dauern 35 Stunden und kosten 500 Euro. Das Handwerk beklagt eine massive Überregulierung - und fordert Ausnahmen für NRW.

Josef Hinkel ist seit 1988 Chef der Düsseldorfer Traditionsbäckerei Hinkel. Der 54-Jährige hat sich schon oft über die strengen Anforderungen geärgert, die die EU den Handwerksbetrieben immer wieder abfordert. Jetzt liegt eine neue Anforderung auf seinem Schreibtisch, die Hinkel richtig wütend macht. "Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- und Personenverkehr", lautet der Titel der EU-Richtlinie, die bis zum 10. September dieses Jahres umgesetzt werden muss. Darin ist festgelegt, dass zum Beispiel Aushilfsfahrer von Bäckern und Konditoren künftig genauso qualifiziert werden müssen wie Berufstrucker im Fernverkehr. "Das ist doch maßlos überzogen", kritisiert Hinkel.

Die EU Richtlinie 2003/59 wurde bereits vor elf Jahren auf den Weg gebracht - mit dem Ablauf der Übergangsfristen trifft sie nun auch das deutsche Handwerk mit voller Wucht. "Die Handwerksorganisationen haben jetzt täglich Anfragen zum Thema Berufskraftfahrerqualifikation", sagt Carsten Benke, Leiter des Referats Verkehrspolitik und Infrastruktur beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Dies sei auch kein Wunder: Die Weiterqualifikation kostet rund 500 Euro pro Fahrer an Gebühren und nimmt 35 Stunden Zeit in Anspruch. "Die Qualifikationspflicht ist daher für viele Betriebe ein Ärgernis und eine enorme Belastung", sagt Benke. Zumal die Fortbildungsmodule für das Handwerk wenig nützlich sind. Sie betreffen beispielsweise die Themen "Verhinderung der Schleusung von Migranten" oder "Wirtschaftliches Umfeld des Güterkraftverkehrs".

Vor allem im Lebensmittelhandwerk herrscht derzeit starke Unruhe. Ältere Arbeitnehmer, die nicht mehr voll in der Fertigung beschäftigt werden, werden dort oft als Auslieferungsfahrer eingesetzt. Auch wenn sie nur Teilzeit arbeiten und lediglich im regionalen Umfeld unterwegs sind, müssen sie ab September dieselbe Weiterqualifikation wie Berufskraftfahrer im Ferngüterverkehr absolvieren. Die EU-Richtlinie und das deutsche Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz setzten so hohe Hürden, dass die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer in den Lebensmittel - und auch in den Bauhandwerken - gefährdet sei, heißt es beim ZDH.

Deshalb wird das Qualifikationsproblem jetzt auch in der Landespolitik zum Thema. Kai Abruszat, Kommunalexperte der FDP im Düsseldorfer Landtag, fordert die Landesregierung auf, besonders gebeutelten Unternehmen durch praktikable Lösungen unter die Arme zu greifen. So habe Baden-Württemberg abweichende Regelungen für den Getränkefachhandel erlaubt. Dort sollen Auslieferungsfahrten von Getränken an Privatkunden weiterhin auch von ungeschultem Personal durchgeführt werden. Für bestimmte Berufsgruppen seien Nachqualifizierungen - zum Beispiel beim Gesundheitsschutz - notwendig und sinnvoll. "Wenn aber jede Aushilfe, die eine Kiste Bier anliefern soll, zuvor 35 Stunden lang geschult werden muss, ist dass ein Fall von zu viel Bürokratie", sagt der Liberale.

Nicht nur im Handwerk, sondern auch im Handel und im Speditionsgewerbe formiert sich breiter Widerstand gegen die EU-Bestimmungen. So sind auch die großen Fahrzeuge der Transportunternehmer betroffen, die vom zunehmenden Internethandel profitieren. Bäckereichef Hinkel sieht die neuen Anforderungen als weiteren Sargnagel für mittelständische Betriebe. 1988 habe es in Düsseldorf noch 220 Innungsbetriebe gegeben, sagt Hinkel. Heute seien es noch 35.

(RP)
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