Wohnungsnot Neue Konzepte für bezahlbares Wohnen

Düsseldorf · Die Wohnungsnot in Ballungsräumen ist noch größer als gedacht. Weil das Bauen so teuer geworden ist, explodieren die Mieten. Die Wirtschaft bereitet Konzepte für Notlösungen vor. Kommt mit den Billig-Plänen der Plattenbau zurück?

Der private Wohnungsbau kann die Wohnungsnot nicht lösen. Laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) müssten bundesweit bis 2020 jährlich 380.000 Wohnungen gebaut werden. Tatsächlich waren es im vergangenen Jahr nur 247 000. Laut einer Empirica-Analyse im Auftrag der ARD spitzt sich das Problem vor allem in Ballungsräumen wie Düsseldorf und Köln zu: So gelten in Düsseldorf nur noch zwei Prozent der Neubauwohnungen als für Normalverdiener bezahlbar, in Köln nur noch 5,7 Prozent. Als "bezahlbar" gilt eine Nettokaltmiete, für die maximal 30 Prozent des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens aufgebracht werden muss.

Ursache der hohen Preise sind immer neue Energiespar-Auflagen für Neubauten. So stiegen die Baukosten in den letzten zehn Jahren um fast 50 Prozent. Mit der Folge, dass auch die Mieten entsprechend anzogen: Nach Berechnungen des größten deutschen Immobilienkonzerns Vonovia sind Wohnungsneubauten selbst für Konzerne mit viel Expertise nur noch zu Baukosten von deutlich mehr als 2000 Euro je Quadratmeter zu realisieren. Vonovia-Chef Rolf Buch: "Die Kaltmiete muss dann deutlich über zehn Euro je Quadratmeter liegen, sonst rechnet sich das nicht."

Die Immobilienwirtschaft versucht das Dilemma mit neuen Konzepten zu lösen. Einerseits mit standardisierten Bauten: Das gleiche Gebäude, in Serie gebaut, wird billiger. Buch: "Wir haben ein Konzept entwickelt, mit dem wir den Quadratmeter für unter 1800 Euro bauen können." Damit seien auch Wohnungen mit Quadratmeter-Kaltmieten von unter zehn Euro machbar. Die Schattenseite: Das Konzept erinnert an den standardisierten Plattenbau aus DDR-Zeiten und gilt städtebaulich als nicht sonderlich attraktiv. Buch: "Die alten Vorurteile gelten nicht mehr. Bauen mit vorgefertigten Elementen ist inzwischen deutlich individueller möglich." Das zweite Konzept für günstigen Wohnraum in Ballungsräumen heißt Nachverdichtung: Neubauten auf Grünflächen in bestehenden Siedlungen oder Aufstockung bestehender Gebäude. Damit sind sogar Quadratmeterpreise von 1500 Euro machbar, die für sechs bis sieben Euro vermietbar sind.

Mieterverbände und Teile der Politik stehen diesen Konzepten skeptisch gegenüber. "Es hat ja einen Sinn, dass es in den Wohnungssiedlungen auch Grünflächen gibt", gibt der Deutsche Mieterbund zu bedenken. Aber was ist die Alternative? Den Billig-Bau auf neuen Flächen vor den Stadttoren zu verwirklichen, würde zu Ghettobildungen führen: Geringverdiener in den Trabantenstädten, in den Innenstädten bleiben die Reichen unter sich.

In der Landespolitik werden die neuen Konzepte für günstigen Wohnraum heiß diskutiert. Gerungen wird hinter den Kulissen kaum noch über das Ob sondern nur noch über das Wie. Zum Beispiel darüber, ob und in welchem Umfang "nachverdichteter" Wohnraum auch mit zusätzlichen Rettungswegen und Parkplätzen ausgestattet werden muss. Einerseits gilt der Stadtplaner-Grundsatz: Wo Wohnraum fehlt, fehlen auch Parkplätze. Andererseits ist die Infrastruktur in Städten wie Düsseldorf inzwischen so hervorragend ausgebaut, dass gar nicht mehr jeder Haushalt ein eigenes Auto haben will.

Viel Zeit zum Diskutieren bleibt nicht mehr. Zusätzlich zur Binnenwanderung in die NRW-Großstädte kommt der noch gar nicht abschätzbare Bedarf der Flüchtlinge hinzu, die dauerhaft in NRW bleiben und jetzt noch in Flüchtlingseinrichtungen wohnen. Sie werden zusätzlich in das preiswerte Wohnsegment drängen.

(RP)
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