Flensburg/Berlin Neue Vorwürfe gegen Kraftfahrtbundesamt

Flensburg/Berlin · Kritische Passagen zu einzelnen Modellen beispielsweise von Opel fehlen im Untersuchungsbericht zum Dieselskandal. Verbraucherschützer kritisieren dies scharf. Ein Anwalt weist darauf hin, dass Klagen so erschwert würden.

Nachdem die Europäische Union Deutschland wegen zu lascher Aufklärung des VW-Diesel-Skandals belangen will, gibt es nun neue Vorwürfe gegen das Kraftfahrtbundesamt (KBA). Laut Informationen von unter anderem der Deutschen Presse-Agentur und "Spiegel Online" wurden im offiziellen Untersuchungsbericht des KBA detaillierte Vorwürfe gegen 14 Automodelle nicht veröffentlicht, obwohl diese intern vorlagen. Stattdessen wurden diese 14 Modelle als Gruppe zusammengefasst, deren Stickoxidwerte im Abgas "technisch nicht ausreichend erklärbar" schienen.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) kritisiert das Vorgehen scharf. "Maximale Klarheit auch zu einzelnen Modellen wäre bei diesen Berichten zwingend gewesen, damit die Verbraucher sich ihr Urteil selber bilden können", sagte Klaus Müller, Vorstand des VZBV, gegenüber unserer Redaktion. Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter sieht die vermutete Selbstzensur ebenfalls kritisch: "Bürger können Schadenersatz wegen denkbarer Schäden oder Schwachstellen bei ihren Autos nur geltend machen, wenn die Aufsichtsbehörde auch offen informiert über einzelne Probleme." Er ergänzt: "Aus juristischer Sicht reicht es nicht, Problemfälle als Gruppe zusammenzufassen."

Das Bundesverkehrsministerium bestreitet zwar nicht, dass der im April veröffentlichte Bericht unvollständig ist, versucht aber die Vorwürfe zu relativieren: So habe man ja die 14 Modelle genannt, bei denen unklar sei, ob die zeitweise Abschaltung der Abgasreinigung "vollumfänglich mit Motorschutzgründen gerechtfertigt werden können und damit zulässig" sei. Außerdem habe Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) selbst bei der Vorstellung des Berichtes erklärt: "Bei einigen der untersuchten Fahrzeugtypen bestanden Zweifel, ob die gewählten Thermofenster in vollem Umfang durch den Motorschutz gerechtfertigt sind. Die Untersuchungskommission hat die betreffenden Hersteller aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das Thermofenster auf das tatsächlich notwendige Maß zu beschränken."

Dazu meint Oliver Krischer, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion: "Dem Verbraucher nützen solche vertraulichen Schritte wenig, der will wissen, was wirklich los ist und welche konkreten Vorwürfe es gibt."

Zwei der 14 betroffenen Modelle sind der Opel Insignia und der Opel Zafira. Hier verwiesen die Autoren in ersten Versionen des Berichts auf ein Gutachten des Experten Georg Wachtmeister von der TU München. Unter anderem ging es darum, dass bereits ab 17 Grad Außentemperatur das Abgas nicht mehr richtig gereinigt wurde. Wörtlich hieß es im Entwurf: "Dieses Gutachten stützt die Zweifel an der Zulässigkeit dieser temperaturabhängigen Emissions-Minderungs-Strategie." Dieser Hinweis fehlt im Bericht.

Für Oliver Krischer von den Grünen war das Tilgen der belastenden Passagen kein Zufall: "Da stimmt etwas nicht! Wenn Fachleute den Verdacht auf eine illegale Abschalteinrichtung haben, geht es nicht, dass der Präsident des Kraftfahrtbundesamtes das tilgen lässt. Die Unschuld der Hersteller scheint im Kraftfahrtbundesamt schon dann erwiesen, wenn die Hersteller dies in einer kurzen Mail beteuern."

Zur minimalen Entlastung der Behörde muss man sich aber den Bericht genau anschauen: Richtig ist zwar, dass in den Porträts über die 14 Problemmodelle unterlassen wird, einzelne Hersteller wegen Tricksereien an den Pranger zu stellen. Doch die technischen Werte der Wagen bei Tests werden vollständig veröffentlicht. Außerdem wird beispielsweise beim Zafira erwähnt, dass nachgerüstet wird. Ziel sei, dass nun der "Verdacht auf eine unzulässige Verringerung der Wirkung des Emissionskontrollsystems aus Bauteilschutzgründen nicht weiter bestehen" bleibt. Das ist zwar sehr, sehr zurückhaltend formuliert, deutet aber Tricksereien doch an.

(RP)
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