Schutz vor weiteren Schuldbergen Neuer Notfalltarif für überschuldete Krankenversicherte

Berlin · Wer seine Krankenversicherung wegen fehlender Einnahmen nicht mehr zahlen kann, soll künftig einen Notfalltarif erhalten.

Gesetzlich und privat Krankenversicherte, die in einer finanziellen Notlage sind und ihre Beiträge nicht mehr zahlen können, sollen künftig davor geschützt werden, weitere Schuldenberge anzuhäufen.

Wie aus einem Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums hervorgeht, der unserer Zeitung vorliegt, soll für klamme Versicherte ein neuer Notfalltarif eingeführt werden. Bislang mussten die säumigen Mitglieder bis zu 60 Prozent Zinsen pro Jahr zahlen. Diese Zinsen konnten die meisten ebenso wenig begleichen wie ihre Versicherungsprämien. Die Folge: Wenn ein Versicherter nicht mehr zahlen kann, summierten sich die außenstehenden Beiträge und die hohen Zinsen innerhalb weniger Jahre rasch zu einer fünfstelligen Summe. Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat ein Versicherter nach zwei Jahren rund 10 000 Euro Schulden bei seiner Versicherung. Nach vier Jahren sind es knapp 30 000 Euro.

Der Säumniszuschlag soll dem Gesetzentwurf zufolge auf ein Prozent pro Monat begrenzt werden. Zudem soll ein sogenannter Nichtzahlertarif sowohl für die gesetzlichen wie auch für die privaten Versicherungen eingeführt werden. Voraussichtlich wird er bei rund 100 Euro im Monat liegen und nur eine Notfallversorgung umfassen. Dazu zählen akute Erkrankungen, Schmerzzustände und die Versorgung Schwangerer.

Wie hoch der Tarif exakt liegen wird, ist noch offen. Bei den Privaten wird es voraussichtlich nochmals eine Staffelung nach Alter geben. Vielfach handele es sich bei den Nichtzahlern um kleine Selbstständige, die am Existenzminimum lebten. Oft seien es junge Menschen, die ohnehin ärztliche Versorgung nur selten in Anspruch nehmen müssen. Aus diesem Grund können die Versicherungen auch den relativ preiswerten Nichtzahler-Tarif für die Schuldner anbieten, hieß es vom Verband der privaten Krankenversicherungen.

Das Problem, dass hunderttausende von säumigen Zahlern in den Krankenversicherungen Schuldenberge anhäufen, besteht seit April 2007. Damals ist in Deutschland die Versicherungspflicht in Kraft getreten. Seitdem muss jeder Bürger eine Krankenversicherung haben, und die Versicherer können säumigen Mitgliedern nicht kündigen.

Sowohl die Privaten wie auch die Gesetzlichen begrüßten den Gesetzentwurf aus dem Ministerium von Daniel Bahr (FDP). "Der geplante Notlagentarif begünstigt nicht die Versicherungen, sondern hilft den Betroffenen mit Schuldenproblemen und gibt ihnen eine zweite Chance", sagte Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherungen, unserer Zeitung. Allein im Bereich der PKV, die rund zehn Prozent der Bevölkerung versichert, betragen die Außenstände deutlich mehr als 500 Millionen Euro. Bei den gesetzlichen Kassen liegen sie bei rund 1,5 Milliarden Euro. Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen begrüßte die Zinssenkung für die klammen Mitglieder.

(qua)
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