Düsseldorf NRW bereitet Razzien gegen Steuersünder vor

Düsseldorf · Wenn Steuersünder ahnen, dass gegen sie ermittelt wird, kann es für eine strafbefreiende Selbstanzeige zu spät sein.

Der systematische Ankauf von Steuer-CDs schien seine abschreckende Wirkung schon einzubüßen: Im dritten Quartal 2015 kletterte die sonst seit Jahren steile Kurve der Selbstanzeigen wieder deutlich langsamer. Aber die Nachricht vom Wochenende dürfte jetzt doch noch zu einer "Jahresendrallye" bei den Selbstanzeigen führen: Wie der "Spiegel" berichtet, ließ NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erneut einen Datenträger mit mutmaßlich gestohlenen Daten zu Bundesbürgern kaufen, die im Ausland Steuern hinterziehen.

Der Datenträger ist die neunte Steuer-CD, die von der Landesregierung seit dem Jahr 2010 angekauft wurde. Und keine war bislang so teuer wie diese: Sie soll fünf Millionen Euro gekostet haben. Das NRW-Finanzministerium äußert sich derzeit nur sehr allgemein zum Thema und will weitere Ankäufe nicht ausschließen.

Steuersünder, die sich bei den Ämtern selbst anzeigen, bevor die Fahnder sie ermitteln, kommen unter Umständen billiger und vor allem ohne Vorstrafe davon. Deshalb löst jeder Ankauf solcher Datensätze in der Regel eine Flut von neuen Selbstanzeigen aus. Bei der aktuellen CD soll es um ein Handelsvolumen von rund 70 Milliarden Euro verteilt auf über 50.000 Vorgänge gehen, bei dem der Staat um Kapitalertragssteuern betrogen wurde.

Die Ermittlungen gegen Kunden und Mitarbeiter der Bank laufen angeblich bereits - kommende Woche soll es erste Razzien geben, heißt es im Umfeld der Wuppertaler Steuerfahndung, die die Ermittlungen leitet. Im Zentrum soll eine Luxemburger Bank stehen, die auch Filialen an der deutschen Grenze unterhält. Es soll vor allem um sogenannte "Cum-Ex"-Geschäfte gehen, bei denen es um den schnellen Kauf und Verkauf von Aktien geht. Komplizierte Transaktionen, mit denen Anleger sich ungerechtfertigt Kapitalertragssteuern erstatten lassen können.

Der finanzpolitische Sprecher der CDU hält solche Datenankäufe "nicht für grundsätzlich verwerflich". Schließlich hatte den Ankauf der ersten CD damals ja auch noch der CDU-Finanzminister Helmut Linssen eingeleitet. Viel wichtiger, so Optendrenk, seien aber zügige Abkommen mit dem Ausland, die derartige Hinterziehungspraktiken von vornherein ausschlössen. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Martin-Sebastian Abel, meinte gestern: "Die ganze Flüchtlingshilfe kostet Deutschland zehn Milliarden Euro. Der Schaden durch Steuerhinterziehung liegt bei 100 Milliarden Euro. Es ist richtig, mit scharfen Mitteln dagegen vorzugehen."

Im Jahr 2017 soll ein automatischer Datenabgleich zwischen Deutschland und rund 100 anderen Staaten anrollen, bei dem Steuersünder automatisch auffallen sollen. Ein ähnliches Abkommen mit der Schweiz läuft 2018 an.

Für geständige Steuersünder ist es seit Januar 2015 deutlich teurer, mit einer Selbstanzeige straffrei davonzukommen. Die Grenze, bis zu der Steuerhinterziehung ohne Zuschlag bei einer Selbstanzeige straffrei bleibt, wurde von 50.0000 auf 25.000 Euro gesenkt. Bei höheren Beträgen wird bei gleichzeitiger Zahlung eines Zuschlags von zehn Prozent unter Umständen von einer Strafverfolgung abgesehen. Hinzu kommen Hinterziehungszinsen von sechs Prozent pro Jahr.

Strafrechtler warnen, dass es für die Betroffenen der aktuell angekauften CD schon zu spät sein kann: Mit der aktuellen Medienberichterstattung müssen sie ahnen, dass gegen sie bereits ermittelt wird. Daher muss die Staatsanwaltschaft ihre Selbstanzeige eventuell schon nicht mehr akzeptieren. Walter-Borjans hatte schon vor Monaten gewarnt: "Allen Steuerhinterziehern, die sich noch immer nicht selbst angezeigt haben, empfehle ich als guten Vorsatz für 2015, endlich reinen Tisch zu machen - auch wenn es teurer wird als bislang."

(tor)
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