Analyse NRW-Firmen auffällig vorsichtig bei Zukäufen

Düsseldorf · Gestern warnte der Internationale Währungsfonds vor weiterhin geringem Wachstum in Europa - auch wegen ausbleibender Investitionen. Tatsächlich fällt auf, wie zurückhaltend viele Unternehmen trotz Niedrigzinsen agieren. Doch dafür gibt es Gründe.

Welche Grundphilosophie haben fast alle Top-Manager deutscher Konzerne seit 2008/09, als der Zusammenbruch der US-Bank Lehman-Brothers die Weltwirtschaft fast zum Zusammenbruch brachte? "Cash is king, die Kasse muss gefüllt sein", sagte Karl-Gerhard Eick, früherer Finanzvorstand der Deutschen Telekom, dann zeitweise Arcandor-Chef. "Die aktuelle Risikoscheu der Konzerne in Deutschland und speziell NRW ist angesichts der extrem niedrigen Zinsen auffällig", ergänzt Christian Röhl, Berater der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Das bringt zwar Stabilität, aber auf dem Weltmarkt geben die Amerikaner mehr Gas."

Die gestern vorgestellten Prognosen des Internationalen Währungsfonds bestätigen das Bild: Danach droht Europa dauerhaft schwaches Wachstum - auch wegen nur niedriger Ausgaben der Wirtschaft.

Dabei unterscheiden sich die Motive für die Zurückhaltung der NRW-Konzerne sehr: ThyssenKrupp muss zuerst die Milliardenverluste aus den viel zu teuren Investitionen in Brasilien und USA ausgleichen - da ist erst einmal nur wenig Geld da für den Ausbau des hiesigen Geschäfts. Eon und RWE wagten vor Jahren noch Milliardenzukäufe in Spanien oder Großbritannien - jetzt fehlen unter dem Druck der sinkenden Strompreise die Mittel, um beim wachsenden Geschäft mit Ökostrom größere Zukäufe zu wagen.

Differenziert ist das Bild bei der Post, Henkel und der Telekom. Postchef Frank Appel will zwar das Modell des Paketgeschäfts aus Deutschland in andere Länder exportieren, aber das Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Euro nicht dramatisch erhöhen: Lieber etwas langsamer wachsen, als so wie Amtsvorgänger Klaus Zumwinkel Milliarden Euro in den USA verbrennen, lautet die Devise.

Henkel-Chef Kasper Rorsted hat bereits Ende 2012 angekündigt, wieder größere Zukäufe zu wagen - aber die insgesamt steigenden Firmenpreise machen den großen Wurf schwierig. Und mehr als zehn Milliarden Euro kann er inklusive Ausgabe neuer Aktien nur schwer stemmen.

Telekom-Chef Tim Höttges würde in Europa gerne auf Einkaufstour gehen, aber das will er erst wagen, wenn der Ableger T-Mobile USA für mehr als 20 Milliarden Euro endlich verkauft ist. Wie günstig der Konzern sich finanzieren kann, zeigt diese Zahl: Eine bis 2019 laufende Anleihe rentiert nur mit 0,30 Prozent - Henkel und Post erhalten Fremdkapital ähnlich günstig.

(RP)
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