OECD-Studie Peinliche Benachteiligung

Meinung | Berlin · Das deutsche Bildungssystem hat sich verbessert, keine Frage. In vielen Bereichen hat sich etwas getan, in anderen bewegt sich nicht viel. So haben Menschen aus bildungsfernen Milieus, also Kinder von Eltern ohne Schulabschluss, nach wie vor kaum Chancen auf Aufstieg.

 Im internationalen Vergleich schneidet das deutsche Bildungssystem besonders gut ab (Symbolbild).

Im internationalen Vergleich schneidet das deutsche Bildungssystem besonders gut ab (Symbolbild).

Foto: dpa

In der Vergangenheit ist viel geschehen, etwa bei dem Kita-Ausbau. Das zeigt die neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Demnach sind mittlerweile 94 Prozent der Dreijährigen in einer Betreuungseinrichtung, noch vor einem Jahr lag der Anteil rund zehn Prozent niedriger. Das Beispiel zeigt, dass sich etwas bewegen lässt, wenn es einen bundesweiten Konsens zur Veränderung und eine ausreichende Finanzierung — mit viel Geld vom Bund — gibt.

Deutschland steht bei der frühkindlichen Bildung nun gut da im internationalen Vergleich. Und auch beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf erreicht die Bundesrepublik gute Werte, was mit Sicherheit auch auf die weiter stabile wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist. Die Exporte brummen und Fachkräfte werden händeringend gesucht.

Fehlt allerdings ein bundesweites Programm oder ein öffentlichkeitswirksames länderübergreifendes Projekt, bewegt sich nicht viel. So haben Menschen aus bildungsfernen Milieus, also Kinder von Eltern, die selbst keinen Schulabschluss hatten, nach wie vor kaum Chancen auf Aufstieg. Immer noch werden Bildungschancen und die Aussicht auf einen guten Abschluss und damit auf ein ordentliches Gehalt vererbt. Das ist ein peinliches Armutszeugnis für die wichtigste Volkswirtschaft Europas, für den im Bereich Ausbildung sonst so oft gelobten Musterknaben Deutschland.

Es kann nicht sein, dass die Übergangssysteme zur Nachqualifizierung von Menschen, die einen zweiten Anlauf zum Abschluss brauchen, völlig intransparent sind. Das ist gerade deswegen problematisch, weil nun viele Tausend Flüchtlinge in das Bildungssystem kommen, die in den Statistiken der aktuellen Studien noch gar nicht auftauchen. Jeder Mangel wird verschärft.

Viele Defizite in Deutschland gehen dabei auf die föderalen Strukturen zurück, auf die eng gefassten Gartenzäune der einzelnen Landesbildungsminister. So sind die Wege nach wie vor zu lang, um Geld vom Bund direkt den Bildungseinrichtungen in den Kommunen zugutekommen zu lassen. Eine Reform der Bund-Länder-Beziehungen im Bereich Bildung — inklusive einer pragmatischeren Handhabung des sogenannten Kooperationsverbotes — ist angezeigt. Denn im internationalen Wettbewerb kann ein Nationalstaat auch nur dann überzeugen, wenn seine Verwaltung inklusive die seiner Bundesländer reaktionsfähig ist, um offensichtliche Schieflagen wie bei den sozialen Bildungschancen zu korrigieren. Da hat Deutschland bei allem Lob noch deutlich Nachholbedarf.

(jd)
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