Mönchengladbach "Offlineshoppen" als Rezept gegen öde Citys

Mönchengladbach · Mit einer Mischung aus Smartphone-Spiel und Rabattmarkensystem will ein Professor die Besuchshäufigkeit in Innenstädten erhöhen.

Mobile Spiele verändern das Verhalten ihrer Nutzer. "Quizduell" etwa induziert Bildungserfolge - wer etwas nicht weiß, schlägt es nach. Geocaching, moderne Schnitzeljagd per Smartphone, holt couch-affine Menschen raus in die Natur. "Der eigentliche Auslöser für meine Idee aber war ,Pokémon Go'", sagt Claus Brell, "ich bin kein Handelsexperte, aber ich verstehe Spieler und Spielmechanismen." Und Letztere, sagt der Professor für Wirtschaftsinformatik vom Forschungsinstitut Gemit der Hochschule Niederrhein, könne man sich zunutze machen, um Innenstädte neu zu beleben.

"Offlineshopper" oder auch "Regionalshopper" heißt das Projekt im Pilotzustand, mit dem Brell die Besucherfrequenz im stationären inhabergeführten Einzelhandel besonders in Mittelstädten stärken möchte. "Das schafft dann zugleich die Option auf Konversion, also die Umwandlung des Besuchs in Umsatz", sagt der Willicher. Seine Idee ist eine Kombination aus einem Smartphone-Spiel und einem Rabattmarkensystem. "Der Nutzer kann durch Herumlaufen in der Innenstadt virtuelle Gegenstände, etwa Edelsteine, einsammeln, die er zu Schmuckstücken kombinieren kann", sagt Brell. In teilnehmenden Geschäften können diese dann wie Rabattmarken für den Kauf realer Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Netter Nebeneffekt: Beim Bummeln wird der Spieler somit auch auf Geschäfte aufmerksam, die er sonst gar nicht beachtet hätte - und speichert ihr Angebot zumindest im Hinterkopf.

Als Zielgruppe hat Brell im ersten Schritt Frauen zwischen 18 und 45 Jahren im Auge, idealerweise Mütter mit Kindern; es existieren aber auch Vorüberlegungen für "männergeeignete" Varianten der "Gamification". Dieser Begriff bezeichnet den Einsatz spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext. Im Fall von "Offlineshopper" ist die Verzahnung von Einkaufserlebnis, Spieltrieb und monetären Vorteilen für die Kundin damit gemeint. "Ich weiß aus der Erfahrung, dass die Belohnungsstrukturen bei Ratten, Tauben und Studenten die gleichen sind", sagt Brell und lacht.

Spiel und dazugehörige App seien nicht darauf ausgelegt, Nutzerdaten zu sammeln. Der Spieler müsste sich lediglich einen Fantasienamen zulegen und seine GPS-Koordinaten freigeben, die Ansprüche an Datenvolumen und Smartphone-Akkuleistung sollen dadurch minimiert werden. Auch der Aufwand für teilnehmende Händler soll so gering wie möglich gehalten werden. "Schließlich richtet sich ,Offlineshopper' in erster Linie an die Einzelhändler, die noch gar nicht online vertreten sind", sagt Brell. "Ein Smartphone hat heute aber jeder, und mehr braucht es nicht." Das Projekt könne den Betroffenen etwas Luft verschaffen, die Transformation ihres Geschäfts für das digitale Zeitalter vorzubereiten. Sie würden dabei unterstützt, bei einem Vor-Ort-Termin die erforderlichen Informationen für die Plattform (Außenfoto, Pitch-Video, Warenübersicht) zu erheben und aufzubereiten. Finanziert werden könnte das Instrument im laufenden Betrieb über ein Lizenzmodell, die Infrastruktur soll eines Tages ein Unternehmen betreiben.

"Jeder Konsument bummelt gerne, keiner will verödete Innenstädte", sagt Brell. Studien zeigten, dass aus solch darbenden Kommunen auch die Fachkräfte fortzögen. Und: "Nicht das Internet ist in erster Linie Konkurrent des stationären Einzelhandels, sondern Outlets und große Handelszentren." Kempen und Brüggen etwa zeigten durch schöne Innenstädte, vielfältige, kundenorientierte Aktionen und starken inhabergeführten Einzelhandel, dass es auch anders gehe. Die Mär vom "Beratungsklau" durch das Internet habe sich nicht bewahrheitet, vielmehr könne der stationäre Handel auch künftig durch Kompetenz punkten - und durch erlebnisbasiertes Einkaufen. "Zwei Dinge müssen nur klar sein: Das Internet geht nicht mehr weg - und Google zeigt immer und überall den Referenzpreis in Echtzeit an", sagt Brell.

Beim NUK-Businessplan-Wettbewerb kam der Wirtschaftsinformatiker mit der Idee bereits unter die ersten Zehn. Nun sucht er Partner in der Wirtschaft, um das Projekt zu realisieren, "denn als Hochschule können wir natürlich kein Produkt erstellen".

Er denke aber auch über Crowdfunding nach - auf knapp 50.000 Euro schätzt er die Entwicklungskosten. "Ich habe außerdem eine Bachelorarbeit auf den Rabattmarken-Aspekt angesetzt", sagt Brell im Gespräch. Ziel sei es, im Januar mit 75 Ladengeschäften in der Region zu starten. Dabei helfen könnten auch Fördergelder: "Ich versuche gerade, ,Offlineshopper' in einem Projekt zur Solinger Nordstadt unterzubringen, bei dem es um die Wiederbelebung von Problemlagen geht."

(tler)
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