Bonn Paketboom rettet Bilanz der Post

Bonn · 28 Pakete erhielt 2015 jeder deutsche Haushalt im Schnitt zugestellt - vor fünf Jahren waren es erst 20. Doch für das weitere Wachstum muss der Konzern sich gegen eine Attacke von Amazon wehren und will in ganz Europa Pakete zustellen.

Die Deutsche Post sieht es als "sportliche Herausforderung", dass ihr in Deutschland mit Abstand wichtigster Kunde, Amazon, seine Waren in einem Modellversuch in München teilweise selber zustellt. Dies erklärte Vorstandschef Frank Appel gestern bei der Bilanzpresssekonferenz.

Trotz der Attacke durch den größten E-Commerce-Konzern setzt die Post auf das Paketgeschäft als einen Wachstumstreiber des Weltkonzerns. Um bis zu sieben Prozent pro Jahr werde der Paketmarkt in Deutschland bis 2020 zulegen, verkündete Appel gemeinsam mit Paket- und Briefvorstand Jürgen Gerdes. Der operative Gewinn der Post mit dem Paket- und Briefgeschäft werde dabei jedes Jahr um drei Prozent zulegen, bei allen Sparten inklusive der weltweiten Logistik sogar um acht Prozent im Jahr. "Die Menschen bestellen immer mehr Waren online", sagte Appel, "und wir als Qualitätsführer wollen stark davon profitieren."

Die letzten Jahre hätten dabei gezeigt, dass der Ex-Monopolist mit seinem besonders umfassenden Verteilnetz weit überdurchschnittlich vom Boom digital bestellter Waren profitiere: Seit 2010 sei der ganze Paketmarkt in Deutschland beim Umsatz von 6,8 Milliarden Euro um knapp 30 Prozent auf 9,5 Milliarden Euro gestiegen. Aber weil die Post pro Jahr um fast neun Prozent zulegte, kontrolliert sie jetzt 44 Prozent des Marktes und nicht mehr 39 Prozent wie noch 2010.

Den Trend bestätigt die Zahl der Pakete pro Haushalt: Die 40 Millionen Familien und Singles hierzulande erhielten 2015 jeweils im Schnitt 28 Pakete von der Post, vor fünf Jahren waren es 20, in fünf Jahren werden es wohl knapp 35 Stück sein - insgesamt könnten so pro Zwei-Personen-Haushalt 70 Pakete im Jahr zusammenkommen.

Entsprechend selbstbewusst kommentiert Gerdes das Vorgehen von Amazon: "Die probieren etwas Neues aus, so wie wir es auch oft machen", meinte er, "aber tiefgreifende Verwerfungen des Marktes schließe ich aus." Es sei absehbar, dass Amazon lange wichtiger Partner bleibe - und die Post werde weiter gute Konditionen, aber keine Sonderrechte bieten.

Wie sehr der Bonner Konzern auf das Geschäft rund um den E-Commerce setzt, zeigt auch seine weltweite Offensive im Paketgeschäft: Allein in Europa will der gelbe Riese künftig in 16 Ländern Pakete selber oder mit Partnern zustellen. Im Gespräch am Rande der Pressekonferenz deutete Gerdes dabei an, auch an europaweite Tarife und Konditionen zu denken - einen wirklich europäischen Markt gäbe es beim Paketgeschäft noch nicht.

Aber auch in Indien bauen die Deutschen einen Paketdienst aus. "Alle drei Sekunden meldet sich ein Inder neu im Internet an", jubelte der aus New York kommende Finanzvorstand Larry Rosen, "das ist für uns eine riesige Chance."

Obwohl der Konzern mit einem Umsatz von 59 Milliarden Euro weltweit größter Logistiker ist, investiert er mit knapp zwei Milliarden Euro im Jahr relativ wenig im Vergleich zu vielen Industriefirmen. Ein Grund ist, dass es deutlich günstiger ist, ein Verteilzentrum für Lieferungen aufzubauen als eine Fabrik. Der andere Grund ist, dass der promovierte Gehirnforscher Appel glaubt, dass große Zukäufe meistens eher schiefgehen, weil sie Manager und einfache Mitarbeiter von der Konzentration auf das echte Geschäft abhalten.

Für dieses Jahr kündigt Appel einen operativen Gewinn zwischen 3,4 und 3,7 Milliarden Euro an - fast 50 Prozent mehr als noch im schwierigen Jahr 2015. Denn er erwarte nicht mehr so viele Sondereffekte, die das Ergebnis belasten. Allein der Streik im Paketbereich hatte 170 Millionen Euro gekostet.

Appel gab sich relativ optimistisch zum weiteren Wachstum der Weltwirtschaft. Er halte die aktuellen Turbulenzen an der Börse auch darum für übertrieben. Gestern verlor die Aktie knapp zwei Prozent, war aber davor deutlich gestiegen.

(RP)
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