Nur jeder Zehnte beantragt Gelder, die ihm zustehen Pflegegeld für Demente kaum genutzt

Berlin · Die Koalition will die Leistungen der Pflegeversicherung weiter verbessern. Doch vieles, was den Betroffenen heute schon zusteht, wird oft nicht in Anspruch genommen, hat die AOK herausgefunden.

Die Pflegestufen im Überblick
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Foto: dapd

Die neuen Leistungen der Pflegeversicherung für Demenzkranke, die seit dem 1. Januar gezahlt werden, kommen kaum bei den Betroffenen an. "Von Beginn an hatten wir trotz aktiver Werbung und persönlicher Anschreiben an mögliche Leistungsbezieher eine sehr verhaltene Nachfrage zu verzeichnen", sagte der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Günter Wältermann. Nach Schätzungen der Kasse lässt sich nur jeder zehnte, der Anspruch auf die neuen Leistungen hat, diese auch auszahlen.

Seit Januar gibt es vor allem für Demenzkranke, die zu Hause betreut werden, verbesserte Leistungen. Für die Betroffenen und ihre Angehörigen wurden in den Pflegestufen 1 und 2 das Pflegegeld und auch die Sachleistungen, etwa Pflegedienste, erhöht. Zudem führte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Pflegestufe 0 nur für Demenzkranke zusätzlich ein. In der werden monatlich 120 Euro Pflegegeld oder 225 Euro an Sachleistungen gezahlt. Schon seit Jahren können Angehörige zudem bis zu 200 Euro im Monat für besonderen Pflegebedarf beantragen. Auch diese Leistung ist offensichtlich zu wenig bekannt. Sie wurde bislang nur von etwa 40 Prozent der Betroffenen in Anspruch genommen.

Die Stiftung Patientenschutz moniert ein Wirrwarr

Bei der Barmer/GEK nutzen mittlerweile rund 6000 Versicherte die Leistung für Demenzkranke in der neuen Pflegestufe 0. Mit dieser Größenordnung habe man zunächst gerechnet, sagte Vize-Chef Rolf-Ulrich Schlenker: "Aber sicherlich haben wir damit noch nicht alle Anspruchsberechtigten erreicht." Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz, macht die Pflegereform dafür verantwortlich, dass die neuen Leistungen nicht den Weg zu den Betroffenen finden. "Um die neuen Pflegeleistungen gibt es ein solches Wirrwarr, weil Gesundheitsminister Bahr neue Leistungen eingeführt hat, ohne die Pflegebedürftigkeit richtig zu definieren", sagte Brysch.

Am Donnerstag legte der von der Bundesregierung eingesetzte Pflegebeirat seinen Bericht vor. Ziel ist es, Pflegebedürftigkeit künftig am Grad der Selbstständigkeit zu bemessen, den ein Mensch noch hat. Bislang richtet er sich vor allem nach körperlichen Einschränkungen. Die Neudefinition würde vor allem Demenzkranken zugute kommen.

Noch immer haben rund 250 000 Demenzkranke keine Ansprüche an die Pflegeversicherung. Eine Reform würde nach Schätzung der Experten vom Pflegebeirat zwischen zwei und vier Milliarden Euro pro Jahr kosten. Dafür müsste der Beitragssatz um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte steigen. Politiker aller Fraktionen drängen darauf, die längst überfällige große Pflegereform rasch umzusetzen.

(qua)
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