Konzernstreit Piëch ist auf Distanz zu Volkswagen

Stuttgart · Der Streit im VW-Konzern eskaliert. Ferdinand Piëch will seine milliardenschweren Anteile verkaufen. Seine Familie hat ein Vorkaufsrecht. Doch was plant der Patriarch nach dem Verkauf?

 Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche (r.) - das Bild entstand 2008.

Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche (r.) - das Bild entstand 2008.

Foto: red

Die Antwort von Matthias Müller fiel knapp aus: "Ich stehe mit Herrn Piëch nicht in Kontakt", antworte der Volkswagen-Chef bei der Bilanz-Pressekonferenz auf die Frage eines Journalisten, ob er denn wisse, welchen Schlag Großaktionär Ferdinand Piëch als Nächstes gegen den Konzern plane, dessen Aufsichtsratschef er jahrelang war und gegen den er nun einen Rachefeldzug führt. Das war am Dienstag - und inzwischen kann man festhalten: Jetzt weiß Müller es.

Piëch, der sich zuletzt mit großen Teilen seiner Familie und anderen Mitgliedern des Aufsichtsrates überworfen hatte, will einen großen Teil seiner Anteile am größten Auto-Konzern der Welt verkaufen. Wie die Porsche SE, in der die Familien Piëch und Porsche ihre Anteile an Volkswagen gebündelt haben, gestern mitteilte, führen die Familien Verhandlungen über die Übertragung eines "wesentlichen Anteils" der gehaltenen Stammaktien.

Es sind nur zwei Sätze in sperrigem Finanzmarkt-Deutsch, hinter denen sich jedoch ein erbittert geführter Familienstreit verbirgt, bei dem noch nicht abzusehen ist, welche Kollateralschäden er beim größten Auto-Hersteller der Welt hinterlassen wird.

Es gibt jedenfalls einige, die durchaus besorgt darüber sind, was da noch so alles kommen könnte aus Salzburg, dem Domizil von Piëch und seiner Frau Ursula. Verkauft der "Alte", wie Piëch in Wolfsburg genannt wurde, seine Volkswagen-Anteile jetzt etwa, um anschließend seinen Rachefeldzug fortsetzen zu können, ohne eigene Verluste fürchten zu müssen? Welche Geheimnisse kennt er? Und hat er noch Trümpfe in der Hinterhand?

Mit fast 80 Jahren gibt es jedenfalls nicht viel, was Piëch noch zu verlieren hat. Sein Lebenswerk, den VW-Konzern, hat er 2015 im Streit nach dem verlorenen Machtkampf gegen Ex-Chef Martin Winterkorn verlassen und den Aufsichtsratsvorsitz abgegeben. Und zuletzt wurde bekannt, dass er nun auch noch in der Porsche SE seinen letzten Posten, ein Aufsichtsratsmandat, verlieren könnte.

Es ist ein kompliziertes Geflecht, in dem die Familien Porsche und Piëch ihre Macht bei Volkswagen bündeln. Herzstück ist die Porsche SE, an der Piëch 14,7 Prozent hält. Diese wiederum ist mit 52 Prozent größter Aktionär von Volkswagen. Vertraglich ist festgehalten, dass die restlichen Familienmitglieder ein Vorkaufsrecht haben, wenn der Alte seine Anteile verkaufen will. 1,1 Milliarden bis 1,2 Milliarden Euro sei das Paket wert, hieß es gestern im Umfeld der Familien - am Ende müsse der Kaufpreis aber natürlich verhandelt werden.

Klar ist, dass die Familien ein großes Interesse daran haben, die Anteile zu übernehmen - immerhin erhielten andernfalls familienfremde Investoren Stammaktien. Damit würden sie, anders als mit den Vorzugsaktien, über Stimmrechte verfügen. Der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sagt jedoch: "Ich gehe davon aus, dass die Familie den Kaufpreis nicht aufbringen kann." Er rechnet damit, dass fremde Investoren, etwa aus China, beim Volkswagen-Konzern einsteigen: "So eine Chance lassen sich Chinesen nicht entgehen."

Andere Branchenexperten sehen das anders. Die Familien müssten schließlich nicht zwangsläufig das Bargeld aufbringen, sondern könnten den Kauf auch mit Krediten finanzieren. Die eigenen Porsche-SE-Aktien könnten dabei zum Beispiel als Sicherheit dienen, heißt es. Und da Volkswagen zuletzt wieder hohe Gewinne gemacht habe, würden alleine die Dividenden, die VW an die Porsche SE - und damit letztlich an die Familien Piëch und Porsche - zahlt, ausreichen, um das Geld für den Kauf aufzubringen. Bei der Vorstellung der Bilanz am Dienstag hatte Volkswagen angekündigt, zwei Euro pro Stammaktie zu zahlen. Pro stimmrechtsloser Vorzugsaktie soll es sogar 2,06 Euro geben.

Kommentieren wollte Piëchs Pläne gestern kaum jemand, weder Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), noch die Gewerkschaft IG Metall. Doch auch sie dürfte die Frage beschäftigen: Was plant Piëch als Nächstes?

(frin)
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