Berlin Pofalla ist jetzt ein bisschen Bahnchef

Berlin · Als der Plan für den Wechsel des Spitzenpolitikers in den Bahnvorstand durchsickerte, empörte sich die Republik.Jetzt, anderthalb Jahre später, ist der Einstieg des Ex-Politikers vollzogen. Und alle Aufregung ist verflogen.

Wenn Konzerne Produkte oder Topmanager einführen, wollen sie in aller Regel Aufmerksamkeit. Der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers und CDU-Generalsekretärs Ronald Pofalla in den Bahn-Vorstand ist ein seltenes Gegenbeispiel. Als die "Saarbrücker Zeitung" im Januar 2014 als erste über den Geheimplan von Bahn-Chef Rüdiger Grube berichtete, wogte Empörung durch die Republik. Dass ausgerechnet der engste Vertraute der Kanzlerin seine exklusiven Kontakte an ein Wirtschaftsunternehmen verkauft, galt vielen als Skandal - auch in seiner politischen Heimat, bei den Konservativen des Kreises Kleve. Im Raum standen Vorwürfe wie "Vertrauensbruch" und "Raffgier", sogar nach neuen Gesetzen gegen den Blitzwechsel von Top-Politikern in die Wirtschaft wurde gerufen. Gestern, bei der Halbjahrespressekonferenz der Bahn in Berlin, saß Pofalla erstmals auf dem Vorstandspodium. Aber der vermeintliche Skandal war plötzlich nur noch eine Randnotiz. Und die wenigen Beobachter, die sie noch thematisieren, finden heute überwiegend positive Worte. Wie haben Grube, Pofalla und der Bahn-Kommunikationschef Oliver Schumacher, das hinbekommen?

Faktor Fahrplan Auf die Welle der Empörung im Frühjahr 2014 reagierte Grube mit Planänderung. Anstatt Pofalla schnell in den Vorstand zu holen, ließ er ein ganzes Jahr verstreichen. Anfang 2015 wurde Pofalla dann auch nicht direkt Vorstand, sondern nur "Generalbevollmächtigter". So hatte er den Fuß in der Tür, ohne ins Rampenlicht zu müssen. Als - offenbar nicht zufällig - durchsickerte, dass Pofalla "irgendwann" die Nachfolge von Rechtsvorstand Gerd Becht übernimmt, landete Pofalla in der publizistischen Wiedervorlagemappe: Bechts Vertrag endet erst 2017. In dieser Woche dann der Paukenschlag. Der Bahn, so Grube gestern, gehe es so schlecht, dass sie total werden muss. Dafür braucht es einen neuen Vorstand. Und deshalb, ganz nebenbei, doch schon jetzt Pofalla.

Faktor Kommunikation Grube und Schumacher haben die neue Personalie also geschickt in der Nachricht vom Konzernumbau versteckt. Und anstatt den neuen Top-Manager wie üblich mit Dossiers oder einer Interview-Tournee zu inszenieren, schirmen die Kommunikationsstrategen der Bahn Pofalla im Gegenteil eher ab. Stattdessen platzieren die Bahn-Kommunikatoren seit Monaten über alle nur denkbaren Kanäle die aktuellen Probleme des Konzerns auf genau dem Feld, das Pofalla nun beackern soll: Politik. Teurer Ökostrom, unfaire EU-Wettbewerbspolitik, zu viele Gigaliner auf den Autobahnen, die das Frachtgeschäft stören - und so weiter. Wer sollte da besser abhelfen können, als ein ehemaliger Kanzleramtschef?

Faktor Pofalla Sehr zugute kommt Grube und Schumacher dabei, dass sie bei ihrer U-Boot-Inszenierung mit Pofalla eine Hauptfigur auf der Nicht-Bühne haben, die mit allen Wassern der Öffentlichkeitsarbeit gewaschen ist. Der ehemalige Lautsprecher der Bundes-CDU hat seine gefürchteten Wutanfälle von einst im Griff und gibt jetzt konsequent die Rolle des Leisetreters. Bei den wenigen öffentlichen Terminen, auf denen er Grube bislang begleitet hat, redet er demonstrativ nur, wenn er persönlich angesprochen wird. "Aber dann mit Substanz und Prägnanz, die ankommt", sagt einer, der ihn oft begleitet. So auch gestern bei der Pressekonferenz, als Pofalla eine mächtige Nackenverspannung riskierte: Während die anderen Vorstände von der Bühne aus überwiegend ins Publikum blickten, waren Pofallas Augen vom äußeren rechten Rand des Podiums aus über anderthalb Stunden konsequent auf Grube gerichtet, der in der Mitte saß. Auf die Frage, wie er sein Ressort künftig gestalten will, antwortete er mit einem Ablenkungsmanöver: "Ich will dazu beitragen, dass der Konzernumbau, auch in meinem Bereich erfolgreich gestaltet werden kann. Meine Vorstellungen dazu möchte ich aber zunächst mit meinen neuen Mitarbeitern besprechen."

(RP)
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