Düsseldorf Portigon-Vorständen droht Schadenersatz

Düsseldorf · Mehr als zehn Milliarden Euro an Schaden sollen Banken mit mehrfach erstatteten Steuern verursacht haben. Um die Verwicklung der früheren WestLB zu klären, wurden Unterlagen beschlagnahmt. Ermittelt wird gegen Ex-Vorstände.

Einer der größten Finanzskandale Deutschlands hat mit aller Wucht auch Düsseldorf erreicht. Steuerfahnder des Landes und die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft beschlagnahmten gestern bei Portigon, der WestLB-Nachfolgebank, Material, um einem schlimmen Verdacht nachzugehen: Hat sich die staatliche Bank daran beteiligt, den Staat um viele Milliarden Euro zu betrügen? Wir erklären, worum es bei dem Vorgang geht. Wie sollen die Banken betrogen haben? Mehr als 100 Banken sollen sich in den Jahren 2005 bis 2010 daran beteiligt haben, Wertpapiere rund um den Dividendenstichtag so schnell hin- und herzuverkaufen, dass am Ende unklar war, wer wirklich die Kapitalertragssteuer auf Dividenden gezahlt hat.

Bei diesen "Cum-Ex-Deals" beantragten aber mehrere Geldhäuser oder auch reiche Depotinhaber die Erstattung der einmal gezahlten Kapitalertragsteuer. Als Schaden wird eine Summe von bis zu zwölf Milliarden Euro genannt. NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat diese Geschäfte als noch unmoralischer verurteilt als reine Steuerhinterziehung, da dem Staat ja aktiv Geld weggenommen wird statt "nur" Einnahmen zu verheimlichen.

Kam die Razzia nun überraschend? Nein, unsere Redaktion meldete bereits am 8. Juni, dass die Staatsanwaltschaft gegen Ex-Vorstände der WestLB ermittelt. Es gehe um Vorstände, die für die Steuererklärungen der Jahre 2007 bis 2011 verantwortlich zeichneten. Dies hatte Portigon dem Landtag vertraulich mitgeteilt. Drohen früheren WestLB-Vorständen nun Schadenersatzforderungen? Das hängt vom Ergebnis der Ermittlungen und möglichen Steuernachzahlungen und Geldbußen ab.

"Sofern Portigon zahlen muss, könnten Ex-Vorstände dafür entweder haften, weil sie von Steuerbetrug wirklich etwas gewusst hatten, oder weil sie ihrer internen Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgingen", erklärt dazu der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter. Immerhin hat die Hypovereinsbank (HVB) in München Ex-Vorstände wegen nicht unterbundener Cum-Ex-Deals auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagt. Ralf Witzel, finanzpolitischer Sprecher der FDP im Landtag fordert auch eine harte Linie: "Manager müssen für saubere Geschäftsführung geradestehen.

" Warum kommen die Ermittlungen erst jetzt ins Rollen? Nach vielen CDs mit Informationen über hinterzogene Steuern, wurde dem NRW-Finanzministerium Anfang 2015 auch noch ein Datensatz zu Cum-Ex-Geschäften von mehr als 100 Finanzhäusern angeboten. Walter-Borjans ließ das Material für fünf Millionen Euro erwerben. Die Infos scheinen nun Absprachen zwischen Geldhäusern über das Hin- und Herschieben von Aktien mit dem Ziel mehrfacher Steuererstattung zu beweisen.

Bis dahin konnten sich Banken damit herausreden, sie hätten nur Handelsgeschäfte betrieben und nicht gewusst, dass andere Banken für dieselben Aktien eine Steuererstattung beantragten. Wie geht es weiter? Nach einer Gesetzesänderung ist seit 2012 weiterer Betrug nach der Cum-Ex-Methode nicht mehr möglich. Die Banken müssen Dividendengeschäfte klarer offenlegen. Mit den beschuldigten Geldhäusern verhandeln Finanzbehörden und Staatsanwälte derweil über Geldbußen und Nachzahlungen.

Laut "Handelsblatt" wurde allein gegen die HVB eine Geldbuße von 9,8 Millionen Euro verhängt.

(RP)
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