Düsseldorf Prominent, angeklagt, freigekauft

Düsseldorf · Das Landgericht München hat das Verfahren gegen vier Ex-Vorstände der BayernLB gegen Geldauflagen eingestellt. Genauso wie jüngst bei Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Hier steht Volkes Stimme gegen die Prozessökonomie.

Weit mehr als 100 000 Strafverfahren in Deutschland werden jedes Jahr gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Angeklagte zahlt, erspart sich damit einen weiteren Prozess und womöglich eine spätere Verurteilung. Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, kleinere Prügeleien - fast immer sind es kleine Verfahren, die so enden.

Der Normalbürger registriert so etwas indes nur dann, wenn Prominente auf der Anklagebank sitzen. So wie jetzt im Landgericht München. Dort ist der Prozess gegen vier frühere Vorstände der BayernLB eingestellt worden. Die Ex-Manager, unter anderem der Untreue und der Bestechung angeklagt, zahlen zwischen 5000 und 20 000 Euro. Das Verfahren gegen den früheren Bankchef Werner Schmidt und dessen ehemaligen Vorstandskollegen Rudolf Hanisch geht weiter. Die beiden beteuern zwar ebenso wie die anderen ihre Unschuld. Aber was die Vorwürfe angeht, ist die Beweislage nach Einschätzung des Gerichts offenbar sicherer als in den anderen Fällen.

Das einstige Manager-Quartett der bayerischen Landesbank geht dagegen ohne Vorstrafen nach Hause. Aber auch ohne Makel? "Freigekauft" - so lautet in solchen Fällen das Urteil vieler Zeitgenossen. Die Einstellung als "eine Art Freikauf vom Verfolgungsrisiko" anzusehen, geht nach Einschätzung von Lutz Meyer-Goßner, früher Richter am Bundesgerichtshof, zwar zu weit. Aber auch er räumt ein, dass die seit den 70er Jahren bestehende Regelung "leider in der Praxis nicht selten missbraucht wird".

Warum? Die Deals sind nach Einschätzung von Experten ein Indiz dafür, dass die Belastungen solcher Prozesse für die Justiz immer größer werden. Das wiederum lässt es mitunter aus Sicht der Richter fraglich erscheinen, ob der Aufwand prozessökonomisch noch Sinn macht, sprich: ob noch eine nennenswerte Bestrafung denkbar scheint. Wenn nicht, hat das Gericht für eine Einstellung ein einfaches, schlüssiges Begründungsmodell. Ein Verfahren wird nämlich nur nach Paragraf 153 a der Strafprozessordnung eingestellt, wenn "Auflagen und Weisungen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht". Und es ist nur möglich, wenn die Vorwürfe der Anklage nicht schwer wiegen oder sich im Prozess nicht klar beweisen lassen. Bei den nun entlasteten BayernLB-Vorständen war eine Verurteilung ungewiss.

Das populistische Argument, man lasse die Großen laufen und hänge nur die Kleinen, schafft die Justiz damit nicht aus der Welt. Dabei ist das angesichts der eingangs erwähnten Zahlen noch leicht zu entkräften. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die Überlastung gerade in komplizierten Wirtschaftsstrafverfahren zum Dauerphänomen wird und die Kammern hier dazu neigen, extrem langwierige Verfahren abzukürzen - und der Staatskasse nebenbei beträchtliche Einnahmen zu verschaffen.

Auch wenn es nicht immer 100 Millionen Dollar sind wie im Fall von Bernie Ecclestone. Der Formel-1-Zampano und die Ex-Vorstände der BayernLB sind nur einige in einer Kette von Promis, die gegen Zahlung das Gericht als freier Mann verließen. Dazu gehörten auch die Angeklagten im zweiten Mannesmann-Prozess mit Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Mannesmann-Konzernchef Klaus Esser an der Spitze, Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer im Endlos-Streit um die Kirch-Pleite, Siemens-Manager Thomas Ganswindt im Korruptionsskandal beim größten deutschen Industriekonzern, mehrere Vorstände der Stuttgarter Landesbank LBBW.

Und jetzt die Ex-Vorstände der BayernLB. Alle sind froh, dass das Verfahren vorbei ist. Denn es kostet auch viel Zeit, was vor allem Michael Kemmer, den Hauptgeschäftsführer des privaten Bankenverbandes BdB, belastet haben dürfte. Er habe sich aus praktischen Gründen dafür entschieden, lieber die Geldauflage von 20 000 Euro zu akzeptieren, als das Verfahren bis zum erhofften Freispruch fortzusetzen, erklärte Kemmer gestern und ergänzte: "Ich wäre noch viele Tage im Münchner Gerichtssaal gefesselt gewesen." Eine Schuld sieht er nicht, ebenso wenig wie sein Arbeitgeber, der Bankenverband ("Das Gericht hat nun bestätigt, dass Michael Kemmer sich nicht strafbar gemacht hat") oder Kemmers Mitangeklagter Stefan Ropers, der den Prozess endlich beenden wollte, auch wenn er "die Vorwürfe nicht im Ansatz akzeptiere". Aber das ist jetzt ja auch nicht mehr wichtig. Zumindest juristisch nicht mehr.

(RP)
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