Ärzte-Tourismus Immer mehr Behandlungen im Ausland

Berlin · Zahnersatz aus Polen, Kuren in Tschechien, Physiotherapie in Italien – die Zahl der gesetzlich Versicherten steigt, die gezielt im europäischen Ausland Gesundheitsleistungen nachfragen.

Gesundheitsreport: darum gehen die Deutschen zum Arzt
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Zahnersatz aus Polen, Kuren in Tschechien, Physiotherapie in Italien — die Zahl der gesetzlich Versicherten steigt, die gezielt im europäischen Ausland Gesundheitsleistungen nachfragen.

Wie aus einer Umfrage der Techniker Krankenkasse hervorgeht, kann sich jeder Dritte vorstellen, jenseits der deutschen Grenze einen Arzt aufzusuchen. Für die Studie hatten rund 14.000 Versicherte Auskunft gegeben.

In Berlin und Umland floriert bereits ein regelrechter Zahnarzt-Tourismus nach Osteuropa. Im Internet werben die Anbieter beispielsweise mit professioneller Zahnreinigung für 35 Euro. In deutschen Praxen zahlen die Patienten rund 60 Euro, um sich das Gebiss auf Hochglanz bringen zu lassen.

Zahnarzt-Tourismus floriert

Da mit Beginn des Jahres die Zuzahlungen für gesetzlich Versicherte beim Zahnersatz teils deutlich gestiegen sind, rechnen die Anbieter der Zahn-Restaurierungs-Touren mit weiterem Zulauf. Nach Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes ist die Zuzahlung für eine Krone mit Jahresbeginn um 74 Euro teurer geworden und kostet nun durchschnittlich 330 Euro.

"Behandlungen im Ausland sind ein Trend", sagt eine Sprecherin der TK, obwohl der Anteil von einem Prozent Behandlung im Ausland an allen Behandlungen immer noch gering ist. Auch sind längst nicht alle Arztbesuche fern der Heimat freiwillig. Etwa zwei Drittel ergeben sich infolge von Unfällen und Krankheiten im Urlaub oder auf Dienstreisen.

Patienten dürfen Klinik EU-weit frei wählen

Seit 2004 dürfen die Deutschen Arzt und Klinik EU-weit frei wählen. Die Techniker Kasse rechnet in Zukunft mit weiter steigenden Zahlen bei bewusst gewählten Behandlungen jenseits der Grenzen. Die Kasse hat sogar schon mit einigen Anbietern im Ausland Verträge abgeschlossen. Wer beispielsweise zur Kur nach Tschechien oder Italien reisen möchte, findet dort Kliniken, die direkt mit dem Versicherer in Deutschland abrechnen. Kassenpatienten, die sich Kurort und Ärzte selbst aussuchen, müssen in Vorlage treten und die Rechnungen anschließend bei ihrer Kasse einreichen.

"Wir erstatten, was wir auch in Deutschland für den Patienten aufwenden würden", sagt die TK-Sprecherin. Voraussetzung für eine Kostenbeteiligung ist eine vorherige Genehmigung der Behandlung durch die Kasse. Wie auch in Deutschland müsse der Heil- und Kostenplan für eine Zahnbehandlung eingereicht werden, nur dann würden die gesetzlichen Zuschüsse gezahlt.

Motiv: Kostenersparnis

Als Motiv für die Behandlung im Ausland geben die meisten Versicherten Kostenersparnis an. Beliebt ist es auch, eine Kur oder Therapie mit einem Urlaub zu verbinden. Für diese Kombination ist vor allem Italien gefragt.

Der typische Gesundheitstourist ist Rentner, hat ein kleines bis mittleres Einkommen und kommt aus dem Osten. Knapp die Hälfte aller Patienten, die bewusst zur Kur oder zum Arzttermin ins Ausland fahren, ist zwischen 70 und 79 Jahre alt. Weitere 29 Prozent zählen zwischen 60 und 69 Jahre. Mehr als die Hälfte verfügt über ein monatliches Einkommen von 1000 bis 2500 Euro.

Deutsche Ärzte sind umgekehrt für Ausländer vor allem im medizinischen Spitzenbereich mit luxuriöser Unterbringung interessant. Die Patienten: Araber und Russen.

(RP/chk)
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