Berlin Regierung ist besorgt über belgischen Atomreaktor

Berlin · Umweltministerin Hendricks strebt "bilaterale politische Gespräche" an. Tausende Risse im Stahlring von Tihange 2.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will mit der belgischen Regierung politische Gespräche über den Weiterbetrieb des umstrittenen Atomreaktors Tihange 2 an der deutsch-belgischen Grenze führen. Das geht aus der Antwort des Umweltministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Demnach werten Atom-Experten auf einem internationalen Arbeitstreffen in Brüssel noch bis heute Ultraschalluntersuchungen aus, auf denen im Stahlmantel des Reaktors Tausende Risse festgestellt worden waren. Die Ergebnisse des Arbeitstreffens "sollen als Vorbereitung politischer bilateraler Gespräche dienen, die das Bundesministerium für Umwelt ... mit Belgien führen will", heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Hendricks sieht den Weiterbetrieb des 50 Jahre alten Atommeilers kritisch. Tihange 2 war wegen der vielen Risse im Stahl des Reaktordruckbehälters für 21 Monate stillgelegt worden, ging aber am 18. Dezember 2015 wieder ans Netz. Erhebliche Vorbehalte gegen den Betrieb hatte auch der ehemalige Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), Helmut Schulz, erhoben. Seine Expertise war von der belgischen Atomaufsicht in Auftrag gegeben, dann aber als "Minderheitsmeinung" eingestuft worden. "Aus Sicht der Bundesregierung erscheinen die Bedenken plausibel", heißt es nun im Umweltministerium.

Aus Sicht der Grünen kommen die Zweifel an Tihange 2 in Berlin zu spät und noch zu zögerlich. "Dass die Bundesregierung bei Zweifeln nicht einschreitet, bevor die Meiler wieder ans Netz gehen, ist nicht nachvollziehbar", sagte die atompolitische Sprecherin Sylvia Kotting-Uhl, "bei den belgischen Reaktoren sind deutsche Anrainer einem mindestens genauso hohen Super-GAU-Risiko ausgesetzt wie die Belgier selbst. Die Bundesregierung hätte sich schon längst für eine Stilllegung einsetzen müssen."

Bei Tihange 2 seien 2014 bei einer Ultraschalluntersuchung des oberen kernnahen Rings des Reaktordruckbehälters 3000 Risse festgestellt worden, heißt es in der Antwort des Ministeriums. Wie die Risse entstanden seien, sei ungeklärt.

(mar)
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