Düsseldorf/Berlin Reichen die Atomrückstellungen aus?

Düsseldorf/Berlin · Die Energiekonzerne wollen einen Teil ihrer Zahlungsverpflichtungen beim Rückbau aus Zinserträgen in den nächsten Jahren stemmen. In Stresstests wird allerdings befürchtet, die Zinsentwicklung könne zu positiv geschätzt worden sein.

Zur Finanzierung des Atomausstiegs müssen die vier Kernkraftwerks-Betreiber in Deutschland bei ihren Rückstellungen möglicherweise noch einmal deutlich drauflegen. Laut "Handelsblatt" werfen vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Stresstests die Frage auf, ob die bisher eingerichteten Bilanzposten für den Rückbau der Meiler von insgesamt 39 Milliarden Euro ein realistisches Zinsniveau berücksichtigen. Eon-Chef Johannes Teyssen sprach von "Taschenspielereien". Eon lege sehr strenge Grundsätze an. Die Wirtschaftsprüfer, die die Rückstellungen Jahr für Jahr testierten, arbeiteten sehr genau. Die Zahlen seien auch angesichts der derzeitigen Niedrigzins-Phase nicht leichtfertig angesetzt. "Wir halten uns an die Bilanzregeln", betonte Teyssen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im Juni Experten mit den Stresstests beauftragt. Noch seien die Analysen der Prüfer nicht abgeschlossen, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage: "Die Arbeiten der Gutachter dauern an, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Diese erwarten wir im Herbst 2015."

Teyssen hält die bisherigen Rückstellungen für ausreichend. Das sieht der RWE-Konzern derzeit genauso. "Wir gehen davon aus, dass unsere Rückstellungen richtig und angemessen sind und erwarten, dass der Stresstest das auch bestätigen wird", betonte eine Sprecherin.

Hintergrund der Debatte sind Befürchtungen aus der Politik, dass die Unternehmen für künftige Zahlungsverpflichtungen unter anderem durch den kostspieligen Rückbau von Kernkraftwerken geringere Summen zurücklegen, als tatsächlich anfallen. Die Differenz soll durch Zinserträge hereinkommen. Laut "Handelsblatt" haben die Konzerne die Rückstellungen mit Zinssätzen zwischen 4,0 und 4,7 Prozent in den Büchern. Angesichts der Niedrigzins-Phase stelle sich aber die Frage, ob Werte jenseits von vier Prozent überhaupt realistisch seien.

Die Frage, wer für die Verschrottung der Meiler und die Lagerung des Atommülls haftet, wird seit Monaten diskutiert. Eine von Kanzleramtsminister Peter Altmaier gemanagte Kommission soll vorschlagen, wie man die Atomrückstellungen der Konzerne sichert. Nach derzeitigen Überlegungen will der Bund den Konzernen den kleineren Teil (rund 16 Milliarden) lassen, die sie für die Verschrottung der Meiler einsetzen wollen. Den größeren Teil (rund 22 Milliarden), der sich auf die langfristigen Lasten wie die Endlagerung bezieht, will er ihnen entziehen und in einen Fonds oder eine Stiftung übertragen.

Die Aktien der Versorger sind gestern weiter gesunken. Die Eon-Papiere fielen zwischenzeitlich um 2,8 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 8,69 Euro. Die Royal Bank of Canada hatte die Titel heruntergestuft und das Kursziel auf 10,50 von 14,50 Euro gesenkt. Am Vortag hatte die Aussicht auf einen Verbleib der deutschen Kraftwerke im Eon-Konzern die Aktien bereits um knapp acht Prozent ins Minus gedrückt. Der Versorger hatte am Mittwochabend angekündigt, seine Kernkraftwerke in Deutschland nicht wie geplant in die neue Gesellschaft Uniper abzuspalten. Damit dürfte Eon wohl nicht das Unternehmen werden, auf das viele Investoren gehofft hätten, hieß es in einem Kommentar der RBC. Dazu droht dem Unternehmen eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Die Ratingagentur Moody's senkte den Ausblick für Eon von "stabil" auf "negativ". Auch die Agentur begründet dies mit dem Festhalten an den deutschen Kraftwerken. Seit Jahresbeginn hat die Aktie rund 37 Prozent an Wert verloren.

RWE-Aktien kommen 2015 bereits auf einen Abschlag von 51 Prozent. Zusätzlich belastet wurden die Titel laut Händlern durch einen Bericht unserer Redaktion, wonach dem Versorger eine Milliarden-Strafe im Streit mit dem arabischen Gaskonzern Dana Gas drohen könnte.

(RP)
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