Neuer Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann — Hoffnungsträger des DGB

Berlin · Mit einem komfortablen Ergebnis hievt der DGB seinen neuen Vorsitzenden ins Amt. Auf ihn warten schwierige Aufgaben – die strittigen Themen Tarifeinheit und die Steuerpolitik.

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Mit einem komfortablen Ergebnis hievt der DGB seinen neuen Vorsitzenden ins Amt. Auf ihn warten schwierige Aufgaben — die strittigen Themen Tarifeinheit und die Steuerpolitik.

Bei seinem ersten Auftritt vor der Presse als neuer Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) wirkte Reiner Hoffmann noch ein wenig linkisch. Tags zuvor hatte eine Verdi-Delegierte beim Kurznachrichtendienst Twitter gar geschrieben, Hoffmann sehe ein bisschen aus "wie Michel aus Lönneberga — 50 Jahre nach der Suppenschüssel". Dabei hätte der Wuppertaler allen Grund, extrem selbstbewusst aufzutreten, hatten doch 93,1 Prozent der Delegierten beim 20. DGB-Bundeskongress in Berlin für ihn gestimmt — ein Traumergebnis. Nur drei andere schafften in der 65-jährigen DGB-Geschichte bei ihrer ersten Wahl in dieses Amt ein besseres Votum.

Die DGB-Chefs seit 1949
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Foto: dpa, rje pzi

Auf Hoffmann warten keine leichte Herausforderungen — und das ausgerechnet, weil sich seine Organisation mit den zentralen Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn und der Rente mit 63 durchsetzen konnte. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft unkte jüngst, neue öffentlichkeitswirksame Themen für den DGB fehlten oder würden direkt von den acht Einzelgewerkschaften besetzt. Dem widerspricht der DGB-Bezirksvorsitzende von NRW, Andreas Meyer-Lauber: "Die Gewerkschaften haben sich mit der Einführung des Mindestlohns nicht überflüssig gemacht."

Vielmehr gebe die geplante Verbesserung bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen den Gewerkschaften ein Instrument an die Hand, um mehr Beschäftigte zurück in die Tarifbindung zu holen, so der DGB-Chef von NRW. "Wir werden außerdem weitermachen beim Thema ,gute Arbeit', werden streiten für besseren Regelungen für Leiharbeiter, Werkvertragsnehmer und einen besseren Schutz bei psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz."

Düsseldorf: Hannelore Kraft bei der DGB-Demo
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Doch zunächst stehen in den kommenden Tagen hitzige Debatten an, bei denen Hoffmann in jedem Fall Stärke und Moderationstalent zeigen muss. Vor allem zwei Themen dürften hitzig diskutiert werden: die Steuerpolitik und die Tarifeinheit. Zwar sind sich die Gewerkschafter einig, dass die sogenannte kalte Progression bei mittleren Einkommen abgemildert werden soll. Doch insbesondere die IG BCE will dies ohne eine Gegenfinanzierung durchboxen. Das lehnen Hoffmann und Verdi entschieden ab und fordern zum Ausgleich höhere Steuern — etwa durch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Der Streit scheint programmiert.

Und auch die Tarifeinheit bleibt ein Problemfeld: Zwar würde der DGB von einem solchen von schwarz-rot geplanten Gesetz profitieren, wonach es nur noch einen Tarifvertrag pro Betrieb geben darf. Allerdings befürchten viele Gewerkschafter einen Eingriff in das Streikrecht. Ein Antrag der DGB-Bezirke Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt sieht beispielsweise eine komplette Ablehnung jeder gesetzlichen Regelung vor.

Tausende Beamte demonstrieren gegen Besoldungsvorschlag
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"Wir befürworten die Tarifeinheit aus ordnungspolitischen Gründen. Es gibt dabei nicht verhandelbare Voraussetzungen: Wir lehnen jegliche Eingriffe in die bestehenden Regelungen ab, die das Risiko beinhalten, das Streikrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie zu beeinträchtigen", sagte der Chef der IG Metall, Detlef Wetzel, unserer Zeitung. Eine wirkliche Tarifeinheit könne es nur dann geben, wenn Unternehmen und Arbeitgeberverbände bereit seien, mit den Gewerkschaften flächendeckende Tarifverträge in allen Branchen abzuschließen. Am Wochenende hatte Bundespräsident Joachim Gauck vor einer weiteren Zersplitterung der Gewerkschaften gewarnt. Dazu sagte Verdi-Chef Frank Bsirske: "Der Bundespräsident hat Recht, wenn er auf den Wert der Solidarität in Betrieben und Branchen hinweist, denn Geschlossenheit macht stärker." Das rechtfertige aber keinesfalls einen Eingriff ins Streikrecht. Auch hier muss Hoffmann eine Lösung hinbekommen.

Dass sich der neue DGB-Chef, der als Mann der leisen Töne gilt, in solchen Debatte Gehör verschaffen kann, zeigte er gestern dann aber: Nach seiner Wahl stellte er sich überwältigt nicht hinter, sondern neben das Rednerpult und rief den Delegierten ganz ohne Mikrofon zu: "Ich danke euch für das absolut tolle Ergebnis!" Er war laut und deutlich im ganzen Saal zu verstehen.

(maxi)
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