Interview mit der Wirtschaftsweisen Claudia Buch "Rettungsschirm kann zu klein sein"

Interview Die neue Wirtschaftsweise Claudia Buch befürwortet den neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM, sieht darin aber nur ein Notfallinstrument. Nur die EZB oder ein Schuldentilgungspakt der Euro-Staaten, den der Sachverständigenrat vorschlägt, könnten die Krise beenden.

Frau Professor Buch, warum brauchen die spanischen Banken von uns verbürgtes Geld aus den Rettungsfonds?

Buch Das hat zwei Gründe: Erstens ist die Kreditvergabe in Spanien fast zum Erliegen gekommen. Die spanische Wirtschaft kommt ohne ausreichende Kreditversorgung nicht wieder auf die Beine. Zweitens könnten von Schieflagen bei spanischen Banken Ansteckungsgefahren für den gesamten europäischen Finanzsektor ausgehen. Wir sollten verhindern, dass es zu unkontrollierten Bankenzusammenbrüchen in Spanien kommt.

Welche Bedingungen muss Spanien im Gegenzug erfüllen?

Buch Spanien muss Banken, die kein nachhaltiges Geschäftsmodell haben, sanieren, umstrukturieren und notfalls auch abwickeln. Es kann nicht darum gehen, Geld in den Bankensektor zu geben und dann nichts weiter zu tun. Staatliches Eigenkapital darf nicht dazu dienen, die privaten Eigentümer der Banken zu retten, sondern die müssen ihre Verluste selber tragen.

Ist die EU wirklich in der Lage, Spanien die Umkrempelung seines gesamten Bankensektors aufzuzwingen?

Buch Das ist genau der Grund, warum wir eine europäische Bankenaufsicht brauchen, die eine Restrukturierung und Abwicklung von Banken durchsetzen kann. Die reine Aufsichtskompetenz reicht nicht, sondern es braucht auch eine Sanierungs-, Abwicklungs- und Restrukturierungskompetenz.

Sie fordern also eine Bankenunion?

Buch Was Sie als Bankenunion bezeichnen, hat drei Komponenten: Die einheitliche Bankenaufsicht, einen gemeinsamen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus für Banken sowie eine gemeinsame Einlagensicherung. Während ich die ersten beiden Teile für richtig halte, bin ich beim dritten zurückhaltend. Einlagensicherungssysteme, wenn sie zu schnell eingeführt werden und nicht den richtigen Kriterien unterliegen, können auch Risiken erhöhen — nämlich dann, wenn einzelne Länder versuchen würden, sich unterlassene Reformen von anderen Ländern "bezahlen" zu lassen.

Warum erwerben die Euro-Staaten nicht wie die USA Anteile an Banken?

Buch Es wäre richtig und nötig, dass die europäischen Staaten wirklich Eigenkapital und damit Kontrollrechte in sanierungsbedürftigen Banken erwerben. Aber noch haben wir keine gemeinsame europäische Institution, die die Anteile halten und bewirtschaften könnte. Deshalb brauchen wir einen neuen gemeinsamen Banken-Restrukturierungsfonds. Er wäre vergleichbar der deutschen Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FSMA) oder früher dem Soffin.

Sind wir mit dem Dauer-Rettungsfonds ESM auf dem richtigen Weg?

Buch Der ESM ist als Teil eines langfristigen Ordnungsrahmens sinnvoll, wenn es darum geht, im Falle einer drohenden Staateninsolvenz einzuspringen, und wenn im Gegenzug Reformen auf den Weg gebracht werden. Dann sollten aber auch die privaten Gläubiger im Rahmen einer Umschuldung an deren Kosten beteiligt werden, damit Haftungsmechanismen nicht außer Kraft gesetzt werden. Der ESM ist aber sehr viel breiter angelegt. Er soll neben Darlehen an hilfebedürftige Länder und deren Banken auch Staatsanleihekäufe am Primär- und Sekundärmarkt vornehmen und sogenannte vorbeugende Kreditlinien an Länder vergeben können. Die beiden letztgenannten Kompetenzen sehe ich kritisch. Wenn der ESM anfangen sollte, Anleihen direkt von den Ländern oder am Markt aufzukaufen, dürften seine Mittel schnell erschöpft sein und wir würden sehr schnell über die Ausweitung der ESM-Mittel sprechen.

Welchen Ausweg sehen Sie dann?

Buch Es gibt letztlich nur zwei Wege, den Euro zu retten. Entweder man überlässt es der EZB, die noch viel mehr Staatsanleihen aufkaufen würde, um die Zinsspannen zu verringern. Oder die Euro-Staaten schließen einen Schuldentilgungspakt, wie ihn der Sachverständigenrat vorgeschlagen hat. Dabei würden die Staaten die Altschulden, die sich oberhalb von 60 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts angesammelt haben, in einen gemeinsamen Fonds geben, der nach gemeinsamen Regeln in 25 Jahren getilgt werden müsste. Der Pakt ist besser als die EZB-Lösung, weil der gemeinsame Abbau der Altschulden mit strengen vertraglichen Auflagen wie der Ratifizierung des Fiskalpakts, nationalen Schuldenbremsen und Sanktionsmöglichkeiten verbunden werden kann. Wenn wir davon ausgingen, dass europäische Verträge sowieso nicht eingehalten werden, dann können wir die europäische Idee begraben.

Birgit Marschall führte das Gespräch.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort