Ankauf von Staatsanleihen Richter geben der EZB einen Freibrief

Frankfurt · Mit seinem Urteil zum Ankauf von Staatsanleihen räumt der Europäische Gerichtshof der Notenbank einen weiten Spielraum für ihre gesamte Rettungspolitik ein. Im Schuldenstreit mit Griechenland gibt es dagegen keine Entspannung.

EZB: Der Werkzeugkasten der Zentralbank
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Foto: dpa, dan cul vfd

Eigentlich ging es vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um ein überholtes Thema: nämlich um die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen ihres 2012 aufgelegten Programms "Outright Monetary Transactions" (OMT) Anleihen von Krisenstaaten hätte kaufen dürfen. Bislang steht dieses Programm nur auf dem Papier, die Zentralbank hat keine einzige Anleihe darüber gekauft — und sich inzwischen mit ihrem Billionen-Programm längst ein neues Instrument zugelegt. Doch mit dem Urteil (C-62/14), in dem die Richter das OMP-Programm für vereinbar mit europäischem Recht erklären, stellen die Richter der EZB faktisch einen Freibrief für ihre gesamte Rettungspolitik aus.

Das Programm gehöre "in Anbetracht seiner Ziele und der zur ihrer Erreichung vorgesehenen Mittel zum Bereich der Währungspolitik", erklärten die Richter. Es verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Mit anderen Worten: Der Zweck, die Rettung der Währungsunion, heiligt nach Meinung der Richter fast alle Mittel. Nur eine Einschränkung machten sie: Die EZB müsse den Ankauf so ausgestalten, dass er keine direkte Staatsfinanzierung darstellt.

Demnach darf die EZB keine neu emittierten Anleihen direkt von den Staaten kaufen, wohl aber solche, die bereits im Umlauf sind. Damit hat der EuGH Grundsätze formuliert, die auch auf andere EZB-Maßnahmen wie das umstrittene Billionen-Programm anzuwenden sind. Weitere Klagen gegen die Rettungspolitik dürften damit aussichtslos sein, wenngleich das Verfassungsgericht auf Basis des gestrigen Luxemburger Urteils nun noch sein endgültiges Urteil sprechen muss.

Die Notenbanker reagierten erleichtert. Es sei befriedigend, dass der EuGH ihnen eine verantwortungsvolle Arbeit attestiert habe, so Direktoriumsmitglied Yves Mersch. Und nicht einmal Fesseln bei der Griechenland-Rettung legten die Richter der EZB an. Der Generalanwalt hatte zuvor per Gutachten eine weitere Grenzziehung empfohlen: So solle die EZB Anleihen nur von solchen Ländern kaufen dürfen, mit denen sie nicht über Reformen verhandele. Darauf gingen die Richter aber nicht ein. Folglich sitzt die EZB nun mit den übrigen Griechen-Rettern weiter am Tisch.

Am Donnerstag kommen die Euro-Finanzminister zusammen. Angesichts neuer Attacken aus Athen sieht es nicht nach einer Einigung aus. Am Sonntag könnte es damit zu einem Sondergipfel der Regierungschefs kommen. Bei den Verhandlungen liege man noch um zwei Milliarden Euro auseinander. Die Griechen lehnen eine Rentenreform ab, die Geldgeber beharren darauf.

Auch innenpolitisch geht der Streit weiter. Michael Grosse-Brömer, Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, sagte: "Notfalls ist ein Grexit hinzunehmen." Ex-Außenminister Joschka Fischer, der am Dienstag seinen ersten Auftritt in der Grünen-Bundestagsfraktion nach 2005 hatte, sagte dagegen: Ein Ausscheiden Griechenlands könne der Anfang vom Ende der europäischen Integration sein. Rechtsextremistische Kräfte wie der Front National in Frankreich seien auf dem Vormarsch. Sie würden bei einem Griechen-Austritt Auftrieb bekommen. Fischer lobte den pro-europäischen Kurs der Grünen-Fraktion. Sie will im Bundestag für eine neue Vereinbarung mit Griechenland stimmen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat die griechische Regierung als derweil als "Faxen-Macher" kritisiert. "Die griechische Regierung hat den Ernst der Lage offensichtlich noch nicht begriffen", sagte Scheuer unserer Redaktion. "Die benehmen sich wie die Faxen-Macher in der letzten Bank im Klassenzimmer, obwohl sie schon von allen Seiten die verschärften Hinweise bekommen haben, dass das Erreichen des Klassenziels gefährdet ist."" Bisher habe die griechische Regierung zu wenig unternommen, um im Euro zu bleiben, sagte Scheuer. "Die rote Linie ist in Sicht. Es wird keine leichtfertigen Kompromisse geben, nur um Griechenland im Euro zu halten."

Die Börsen sind alarmiert. Die Zinsen für zweijährige griechische Staatsanleihen kletterten über 30 Prozent. Der Dax gab zeitweise um 1,7 Prozent nach.

(mar)
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