Essen Rücktrittsforderung an Cromme

Essen · Wegen der immer neuen Skandale bei ThyssenKrupp attackiert der Verband der Aufsichtsräte Deutschlands den einstigen Vorzeigemanager. Die Hauptversammlung am Freitag wird hart.

Irgendwann merken selbst die renommiertesten Manager, dass sich die Zahl ihrer Freunde in Grenzen hält. An diesem Punkt ist ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme angelangt: Zur Hauptversammlung des krisengeschüttelten Konzerns am Freitag forderte die "Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland" (VARD) am Wochenende seinen Rücktritt.

Crommes Umgang mit der Vielzahl an Affären beim Essener Dax-Konzern werfe ein falsches Bild auf all jene Aufsichtsräte, die sich "mit großer Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit" für gute Unternehmensführung einsetzten, heißt es in einem offenen Brief, aus dem der "Spiegel" zitiert. Die Kritik trifft den 69-Jährigen hart: Immerhin sitzen im Präsidium des VARD die früheren Vorstandschefs des Metro-Konzerns, Hans-Joachim Körber, und des RWE-Konzerns, Dietmar Kuhnt. Und immerhin leitete Cromme früher lange die Regierungskommission für gute Unternehmensführung.

Tatsächlich nimmt die Kritik an Cromme zu. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) will dem Aufsichtsrat am Freitag die Entlastung verweigern. Ein glaubwürdiger Neuanfang bei ThyssenKrupp könne nicht auf der Vorstandsebene enden, sagte Hans-Christoph Hirt von der Investorenvertretung Hermes Fund der "Welt am Sonntag", nachdem Cromme zur Jahreswende drei Vorstände zum Rücktritt gezwungen hatte. Hirt sprach sich für "eine geordnete Nachfolgeregelung an der Spitze des Aufsichtsrats aus – also Crommes Rückzug.

Tatsächlich wird es Cromme schwerfallen zu erklären, warum ausgerechnet er völlig unschuldig am katastrophalen Zustand des Konzerns sein soll. Rund acht Milliarden Euro verlor ThyssenKrupp mit Fehlinvestitionen in Brasilien und den USA – Cromme sieht die Schuld fast allein beim früheren Vorstandschef Ekkehard Schulz. ThyssenKrupp steht immer wieder im Mittelpunkt von Kartellskandalen – hier ist zu fragen, warum Cromme kein funktionierendes Anti-Korruptionsregime durchsetzte. Und auch bei den Skandalen rund um sehr teure Reisen für Journalisten und Aufsichtsräte steht Cromme nicht abseits: Sein früherer Büroleiter hatte sich um wichtige Kontakte gekümmert.

Trotz der Kritik wird Cromme den Freitag wohl überstehen. "Cromme bleibt", hat der nun 99-jährige Berthold Beitz vor Weihnachten erklärt. Da die von Beitz geleitete Krupp-Stiftung mehr als 25 Prozent der Aktien hält, müsste das reichen, um Cromme zu halten.

Außerdem versucht die bei ThyssenKrupp mächtige IG Metall eherdie Wogen zu glätten. IG Metall-Chef Berthold Huber nannte es im "Spiegel" zwar einen "Fehler", dass sein Vorstandskollege Bertin Eichler fünfmal Erste Klasse bei Reisen mit ThyssenKrupp flog – weswegen Eichler im Herbst auch nicht zur Wiederwahl als Aufsichtsrat von ThyssenKrupp antritt. Doch gleichzeitig spielte Huber die Bedeutung der Tickets herunter: Wegen der Flüge habe sich Eichler "doch nicht in seiner Arbeit als Aufsichtsrat beeinflussen oder gar kaufen lassen". Eichler dürfe auch im Vorstand der IG Metall bleiben, "wenn er sich nichts anderes (als die Reisen) vorwerfen lassen muss."

(RP)
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