Volkswagen Rücktrittsgerüchte um Ferdinand Piëch

Wolfsburg · Im Vorfeld der Automobilausstellung IAA wird über einen Rückzug des 76-jährigen VW-Aufsichtsratsvorsitzenden spekuliert. VW dementiert das hart. Piëch werde noch lange Chef-Kontrolleur bleiben, erklärt der Konzern.

Am Montag kommt Ferdinand Piëch nach Frankfurt. Wie jedes Jahr will der Aufsichtsratsvorsitzende des Autobauers dort im Vorfeld der Branchenmesse IAA am Konzernabend der Wolfsburger teilnehmen. Das wäre nicht erwähnenswerter als in den Jahren zuvor, wären da nicht Spekulationen um einen möglichen Rückzug des Patriarchen von der Spitze des Kontrollgremiums.

Entsprechend hat das "Handelsblatt" berichtet. Piëch werde die Führung des Aufsichtsrates aus gesundheitlichen Gründen in den nächsten Monaten wahrscheinlich abgeben, schreibt das Blatt unter Berufung auf Konzern-Vertraute. Sein Wunsch-Kandidat als Nachfolger sei VW-Chef Martin Winterkorn.

Die Reaktion kam prompt: Piech sei bei bester Gesundheit "und bleibt noch lange Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG", teilte der Konzern mit. Es erübrigten sich alle weiteren Spekulationen. Von "Quatsch" und "Sauerei" war an anderer Stelle die Rede. Piëch und Winterkorn würden bleiben, versichert Betriebsratschef Bernd Osterloh.

Wie lange, weiß keiner — sieht man einmal davon ab, dass man Piëchs Besuchsankündigungen für IAA-Konzernabende in den kommenden Jahren als Langfrist-Perspektive für den Verbleib des großen alten Mannes begreift. Berichterstattung und Dementi zeigen auf jeden Fall eins: Im VW-Konzern gibt es Protagonisten, die Piëchs Abgang von der großen Bühne offenbar gern beschleunigen möchten, und das Piëch-Lager bleibt nicht ungerührt.

Dabei hat der 76-jährige Enkel des legendären Ferdinand Porsche solchen Spekulationen selbst Vorschub geleistet, indem er seine Frau Ursula in den vergangenen Jahren an mehreren Schaltpulten in die vordere Reihe schob. Die 56-Jährige vertritt ihren Mann in zwei Familienstiftungen, in die Piëch Unternehmensbeteiligungen eingebracht hat. Sie sitzt bei VW und Audi im Aufsichtsrat, und Piëch hat sie vor drei Jahren testamentarisch zu seiner Nachfolgerin bestimmt. Da war er 73 Jahre alt, und wenn sich dann einer Gedanken um Zukunft und Vermögen macht, liefert das eben auch Raum für Spekulationen. Zumal Piëch vor vier Jahren in der heißen Phase des Übernahmekampfs zwischen VW und Porsche schon einmal ernsthaft erkrankt war.

Die Autowelt ist jedenfalls ein Stück weit irritiert über Gerede und Gegenrede, anders als die Börse. Die hat die Diskussion über einen möglichen Piëch-Abgang gelassen zur Kenntnis genommen. Das liegt vermutlich auch daran, dass der Abgang des Patriarchen schon längst im Aktienkurs eingepreist ist.

So wie die Tatsache, dass Martin Winterkorn als Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrates ausgeguckt ist. Der 66-jährige Vorstandsvorsitzende gilt als Intimus von Piëch, er teilt mit seinem österreichischen Ziehvater den Sinn für die Ingenieurs-Akribie. Dass er Piëch irgendwann beerben soll, steht längst außer Frage. Auch die Tatsache, dass nach dem deutschen Aktiengesetz Manager erst nach einer Karenzzeit von zwei Jahren in den Aufsichtsrat einziehen sollen, wäre bei Winterkorn kein Hindernis.

Denn die im Paragrafen 100 des Gesetzes geregelte Wartezeit hat eine Ausnahme. Schlagen Aktionäre mit einem Stimmenanteil von mindestens 25 Prozent der Hauptversammlung einen früheren Wechsel vor, dann muss ein Unternehmen die zwei Jahre eben nicht abwarten. Und das Viertel der Stimmrechte zusammenzubekommen, ist bei VW kein Problem. Der Großaktionär Porsche Holding, von Piëch faktisch mit gesteuert, kommt schon auf einen Aktienbesitz von mehr als 32 und einen Stimmrechtsanteil von mehr als 50 Prozent. Er hat bei den Nachfolgeplänen vermutlich auch das Land Niedersachsen (hält 20 Prozent der VW-Anteile) auf seiner Seite.

Alles ist also geregelt bei VW für den Stabwechsel — bis auf die kleine Tatsache, dass im Rahmen der Personalrochade bei VW noch kein geeigneter Nachfolger für Winterkorn gefunden zu sein scheint. Finanzvorstand Hans-Dieter Pötsch und Audi-Chef Rupert Stadler gelten als glänzende Kontrolleure, doch Branchenkenner sprechen ihnen die Fähigkeit zu großen Autovisionen ab, die man braucht, um VW langfristig als weltweite Nummer eins am Automarkt zu etablieren. Genau das scheint Winterkorn garantieren zu können. Das macht ihn so unentbehrlich für die VW-Spitze. Und Piëch für den Aufsichtsrat.

(RP)
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