Ukraine-Krise Russland-Sanktionen gefährden 25.000 Jobs

Düsseldorf · Die Sanktionen der EU gegen Russland haben nach Einschätzung von Wirtschaftsverbänden gravierende Konsequenzen auch für Deutschland. In Russland selbst droht ein Auszug von Investoren. Ausländische Geldgeber sind verunsichert.

Die deutsche Wirtschaft sieht die von der EU beschlossenen neuen Wirtschaftssanktionen gegen Russland als politisch unumgänglich an. Doch die Einsicht ist verbunden mit der Sorge um Konsequenzen. "Unabhängig von ihrer Unvermeidbarkeit werden die beschlossenen Sanktionen für viele Maschinenbauunternehmen in Deutschland bittere Konsequenzen haben", erklärte der Branchenverband VDMA. Die Strafmaßnahmen könnten Russland nach Berechnungen von Experten allein 2014 rund 23 Milliarden Euro kosten. Die EU umgekehrt könnte Einbußen von 40 Milliarden Euro erleiden. Am Dienstag hatte die EU unter anderem Beschränkungen für Projekte bei der Ölförderung, einen erschwerten Zugang russischer Banken zu EU-Finanzmärkten, ein Verbot künftiger Rüstungslieferungen sowie ein Exportverbot für bestimmte Hochtechnologiegüter an das russische Militär verhängt.

Die Krise schlägt durch. Russland selbst drohen Teile des Auslands als Geldquelle verlorenzugehen. "Die Situation verunsichert die Investoren aus dem Ausland; viele werden sich wegen dieser Unsicherheiten zurückziehen", sagte Galina Kolev, Referentin für Außenwirtschaft beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW), unserer Zeitung.

Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, spricht andererseits davon, dass in Deutschland 25 000 Arbeitsplätze in Gefahr seien. Die Hochrechnung ergebe sich daraus, dass etwa 300 000 Jobs in Deutschland an den Ausfuhren nach Russland hingegen und diese Ausfuhren bis Mai um ein Sechstel eingebrochen seien, erklärte ein Sprecher des Ausschusses, der 6200 deutsche Unternehmen in Russland vertritt. Halte dieser Trend an, sei ein Jobabbau in der genannten Größenordnung nicht ausgeschlossen.

Allein im Mai sind nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die Exporte nach Russland um 17,5 Prozent eingebrochen. Am heftigsten trifft die Krise den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Verbote von hochtechnischen Lösungen und spezialisierten Verfahren, die unter Dual-use-Bestimmungen (sowohl zivile als auch militärische Nutzung denkbar) fallen könnten, "treffen unsere Kernindustrie", erklärte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer Industrieverbandes DIHK.

Im Gegensatz zu den Anlagenbauern sieht Metro-Chef Olaf Koch noch keine Gefahr: "Unser Geschäft entwickelt sich nach wie vor stabil, der Konsum wurde bisher von der Krise nicht wesentlich berührt. Sollten sich aber die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bzw. das Konsumverhalten infolge der Konflikts abkühlen, können wir einen Effekt natürlich nicht ausschließen." Bei Henkel hieß es, man werde sich selbstverständlich "strikt an die verhängten Sanktionen halten". "Wir erwarten aber, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für unser Geschäft in Russland vorübergehend sind. Unser langfristiges Engagement in Russland und in der Ukraine steht nicht zu Debatte", so eine Sprecherin.

Sind die Sanktionen zu hart? Heinrich Weiss, Aufsichtsratschef von SMS Siemag, empfiehlt ein vorsichtiges Vorgehen: "Man muss jetzt mit sehr behutsamen, fast chirurgischen Eingriffen versuchen, Putin zur Umkehr zu bewegen. Das heißt beispielsweise: Wir verzichten auf Lieferung von militärischem Gerät und Technologie für strategische Projekte. Aber alles, was Zivilgüter betrifft, sollte weiterlaufen. Sanktionen müssen die Politik treffen, nicht die Verbraucher." Seine politische Einschätzung: "Ich kenne Wladimir Putin jetzt seit zwölf Jahren und habe ihn sehr geschätzt. Aber jetzt bin ich enttäuscht von seinem Verhalten in der Ukraine-Krise."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort