Düsseldorf Russland-Sanktionen kosten Milliarden

Düsseldorf · Der Streit mit der EU hat ökonomische Folgen - für beide Seiten. Aber die Wirtschaftskrise in Russland wiegt noch schwerer.

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg, das am Samstag zu Ende ging, ist für Russland das ökonomisch bedeutsamste Ereignis des Jahres. Wenn dort große Teile der wirtschaftlichen Elite aus Europa und Übersee nicht erscheinen, ist das auch ein Problem für russische Geschäftsleute, die neue Kontakte ins Ausland knüpfen wollen. Das war 2014 und 2015 so.

In diesem Jahr haben die Europäer ihren Boykott gelockert. Aber ein wirtschaftliches Ergebnis politischer Entspannungsbemühungen ist noch nicht erkennbar. Im Gegenteil: Seit zwei Jahren laufen die Sanktionen, die nach der Annexion der Krim in Gang gesetzt wurden und die die Russen mit Gegenmaßnahmen beantworteten, und sie schaden allen Beteiligten. Heute wollen die EU-Botschafter sagen, ob sie die Verlängerung der Strafen empfehlen. Der von Moskau verhängte Katalog läuft auch bis ins nächste Jahr.

Die Konsequenzen: Der Handel mit Russland ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Die Sanktionen dürften wirtschaftlich Milliardenschäden angerichtet haben. Aber es ist natürlich kaum auszumachen, wie schwer die Konjunkturkrise im Land mit ihren Folgewirkungen für die deutsche und europäische Wirtschaft wiegt und wie viel exakt vom Rückgang der russischen Wirtschaftsleistung eine Folge der Sanktionen ist. Sicherlich wiegt die Krise deutlich schwerer. Ein paar Schlaglichter:

Russische Konjunktur Russland ist im vergangenen Jahr in die Rezession gestürzt. Die Hoffnung auf ein schmales Wachstum wie 2014 blieb aus, stattdessen steht in der Statistik ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,7 Prozent. Auch für 2016 wird ein Minus erwartet, diesmal von knapp zwei Prozent. Ein Grund dafür: Ein großer Teil der Staatseinnahmen kommt aus dem Energieverkauf, aber der bringt zu wenig. Der Ölpreis stürzte zwischenzeitlich auf weniger als 30 Dollar je Barrel ab, die im russischen Haushalt für 2016 veranschlagten 50 Dollar hat der Preis Anfang Juni erstmals in diesem Jahr geschafft. Allein die Differenz in den ersten sechs Monaten dürfte die Russen nach Einschätzung von Energieexperten Hunderte Milliarden Rubel (mindestens fünf Milliarden Euro) gekostet haben. Die rund 1,75 Milliarden, die sich der russische Staat an den Kapitalmärkten besorgt hat, um beispielsweise Haushaltslöcher zu stopfen, haben die Situation ein wenig entspannt.

Außenhandel Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft hat für die Zeit von 2013 bis 2015 ein Minus von 120 Milliarden Euro im Handel zwischen der EU und Russland errechnet. Das entspricht einem Rückgang um 35 Prozent. Im vergangenen Jahr ging das Handelsvolumen immer noch um ein Viertel zurück. Der Hoffnungsschimmer 2016 im Außenhandel: Im ersten Quartal betrug das Minus laut Ost-Ausschuss insgesamt nur noch zehn Prozent. Die deutschen Exporte fielen gegenüber dem ersten Vierteljahr 2015 nur noch um vier Prozent.

Banken Russlands Staatsbanken ist der Zugang zu den Kapitalmärkten noch verwehrt. Auf den Sanktionslisten der Europäer und Amerikaner stehen Sberbank, VTB, VEB und Rosselchosbank. Andere können sich Geld besorgen, zahlen aber wegen der durch die Rezession bedingten höheren Ausfallrisiken höhere Zinsen bei der Kapitalbeschaffung. Und die Energiefirmen bekommen wegen der Sanktionen nur schwerlich Geld bei Banken im Westen.

Maschinenbau Minus 17 Prozent im Jahr 2014, minus 26,8 Prozent ein Jahr später - in den beiden vergangenen Jahren war das Russland-Geschäft für die Branche ein Desaster. 2012 betrug das Geschäftsvolumen noch acht Milliarden Euro, drei Jahre später waren es nur noch 4,8 Milliarden Euro. Aber auch im Maschinenbau herrscht nach einem Minus von "nur" noch 3,4 Prozent zwischen Januar und März Zuversicht: "Wenn alles gut geht und der Ölpreis sich bei 50 bi 60 Dollar je Barrel einpendelt, schaffen wir vielleicht sogar die Nulllinie", sagt Monika Hollacher, Russland-Expertin beim Branchenverband VDMA. Den Höhepunkt der Krise hätten die Maschinenbauer hinter sich gelassen, meint sie.

Landwirtschaft Vom russischen Embargo für landwirtschaftliche Güter (beispielsweise Milch und Schweinefleisch), das den EU-Sanktionen folgte, fühlen sich unter anderem deutsche Bauern getroffen. Zwar ist neuerdings der Import von Geflügel, Rindfleisch sowie tiefgekühltem und getrocknetem Gemüse für die Herstellung von Babynahrung wieder erlaubt. Jeder andere Import bleibt indes verboten. Russland hat den Schaden, den das Embargo für Lebensmittelexporte aus der EU und den USA verursacht hat, auf rund 9,3 Milliarden Dollar (etwa 8,2 Milliarden Euro) beziffert.

(RP)
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