Interview mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble "Wir bringen das Defizit 2015 auf null"

Berlin · Im Interview spricht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über sein Ziel, die Neuverschuldung auf Null zu senken, die Steuerpläne der Großen Koalition und mögliche weitere Hilfen für Griechenland.

Wolfgang Schäuble gesteht Griechenland unter gewissen Bedingungen weitere Hilfe zu.

Wolfgang Schäuble gesteht Griechenland unter gewissen Bedingungen weitere Hilfe zu.

Foto: dpa, Stephanie Pilick

Sind Sie erleichtert, dass Sie weiter Bundesfinanzminister sind?

Schäuble Ich war da immer ganz entspannt. Ich hatte gesagt, ich würde die Aufgabe gerne wieder übernehmen, wenn es sich ergibt. Nun bin ich wieder Finanzminister, weiß um die Verantwortung und mache es gerne.

Und sind Sie froh, dass Sie jetzt nicht mehr mit der FDP regieren?

Schäuble Überhaupt nicht. Ich bedauere, dass die FDP nicht mehr im Bundestag ist. Die schwarz-gelbe Regierung war besser, als das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Die Ergebnisse sprechen für sich. Große Koalitionen macht man nur, wenn es nicht anders geht.

Warum ist es stets so, dass eine große Koalition teurer wird für die Bürger?

Schäuble Wieso teurer? Wir halten uns an das Wahlversprechen der Union: Wir bringen die Neuverschuldung 2015 auf null. Die sich aus der soliden Finanzpolitik ab 2016 ergebenden Spielräume wollen wir für Investitionen in Verkehr, Bildung und Forschung nutzen.

Ihre bisherige Finanzplanung sah vor, ab 2016 Schulden zu tilgen!

Schäuble Das stimmt doch so nicht. Wir halten uns an das, was wir im Wahlkampf gesagt haben. Es bleibt bei dem strikten Defizitabbau, das haben wir in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Es gibt keine neuen Schulden. Es gab einzelne Stimmen, die gesagt haben, dass wir doch den Verschuldungsspielraum, den uns die Schuldenbremse erlaubt, von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jedes Jahr ausnutzen sollten. Das machen wir nicht. Wir wollen die Null. Übrigens: Durch die Nullverschuldung ab 2015 sinkt die Schuldenstandsquote ganz automatisch ganz schnell — von jetzt etwas über 80 auf rund 70 Prozent oder weniger des BIP noch in dieser Legislaturperiode.

Garantieren Sie, dass die Neuverschuldung 2015 bei Null liegen wird?

Schäuble Wir planen für 2015 eine Neuverschuldung von Null. Die Konjunktur läuft gut. Wir und die EU Kommission rechnen für 2014 mit 1,7 Prozent Wachstum, und damit sind wir auf der vorsichtigen Seite. Die meisten Indikatoren sprechen dafür, dass es eher mehr wird als weniger. Die Geschichte ist auf unserer Seite: In den letzten Jahren hatten wir am Ende des Jahres immer eine geringere Neuverschuldung als geplant. Wir sind vorsichtige Leute.

Ist denn auch das Defizit 2013 am Ende wieder geringer als geplant?

Schäuble Die Neuverschuldung 2013 wird auf jeden Fall unter dem Soll von 25,1 Milliarden Euro liegen. Trotz Fluthilfe. 2014 wollen wir das Defizit weiter senken. Strukturell wird der Haushalt schon 2014 ausgeglichen sein. Im März stellen wir den Haushalt 2014 und die Eckwerte 2015 auf. Die Rahmendaten sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Mit Ausnahme der im Koalitionsvertrag als vorrangig bezeichneten Mehrausgaben von 23 Milliarden Euro über die gesamte Legislaturperiode muss jedes Ressort Mehrausgaben oder Mindereinnahmen selbst gegenfinanzieren.

In der Steuerpolitik sind Sie erneut nicht besonders ehrgeizig, oder?

Schäuble Große Steuerreformen sind derzeit leider kein Selbstläufer — schauen Sie sich doch bloß die Bundesratsmehrheiten an. Ich bin immer noch der Meinung, es wäre richtig, die kalte Progression dauerhaft zu beseitigen. Der Spielraum für Steuersenkungen ist aber sehr klein. Sie wären in der Koalition und im Bundesrat kaum durchsetzbar.

Und wenn es schlechter läuft, kommen dann doch Steuererhöhungen?

Schäuble Steuererhöhungen haben wir ausgeschlossen. Wir sind mit unserer Finanzpolitik auf der vorsichtigen Seite. Natürlich kann es immer auch schlechter laufen. Durch die expansive Politik der Notenbanken in aller Welt können neue Finanzblasen entstehen. Wir haben zu viel Liquidität auf den Finanzmärkten. Ein Zinsniveau knapp über der Inflationsrate ist zu niedrig, mit entsprechenden Auswirkungen zum Beispiel auf die Lebensversicherer. Das ist auf Dauer inakzeptabel. Dies alles zeigt, dass die gegenwärtige gute Entwicklung nicht in Stein gemeißelt ist. Aber wenn keine Katastrophe kommt, die ich momentan nicht sehe, die sie aber nie vorhersagen können, gilt das, was wir gesagt haben.

Der griechische Premier Samaras hat erklärt, die Krise seines Landes sei überwunden. Stimmen Sie ihm zu?

Schäuble Niemand bestreitet, dass Griechenland deutliche Fortschritte gemacht hat, mehr als viele dem Land zugetraut haben. Dafür gebührt dem griechischen Volk unser Respekt und sicherlich wird die griechische EU-Präsidentschaft das Selbstbewusstsein stärken. Aber: Sie müssen ihre strukturellen Reformen fortsetzen und die Verabredungen einhalten. Und es macht gar keinen Sinn, den IWF für soziale Probleme verantwortlich zu machen. Oder den IWF aus der Troika herausdrängen zu wollen.

Wird Griechenland nochmals einen Zinsnachlass bekommen?

Schäuble Wenn Griechenland bis Ende 2015 alle Verpflichtungen erfüllt hat und einen Primärüberschuss im Haushalt erzielt und dann noch ein weiterer Finanzierungsbedarf besteht, dann sind wir bereit, noch etwas zu tun. Das würde dann aber im Zweifel eine viel kleinere Summe sein als die bisherige Hilfe. Ob das notwendig sein wird, werden wir Mitte des Jahres sehen. Jetzt muss Griechenland erst einmal die fälligen Verpflichtungen erfüllen.

Ist die Euro-Krise tatsächlich vorbei?

Schäuble Wir sind vorangekommen, aber mit den notwendigen Reformen in den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen noch nicht am Ende. Wir wollen kein deutsches, wir wollen ein starkes Europa. Dazu brauchen wir unbedingt Änderungen des EU-Vertrags. Dafür brauchen wir aber die Unterstützung der anderen EU-Staaten. Europa muss schlagkräftiger werden. Und wir müssen Lücken in den Verträgen füllen. So mussten wir beispielsweise für den europäischen Bankenabwicklungsfonds, der von der Industrie bezahlt werden soll, eine intergouvernementale Konstruktion wählen, da die EU-Verträge keine EU-Bankenabgabe zulassen.

In der Regierung dominiert die SPD die wichtigen Bereiche, von der Wirtschafts- bis zur Familienpolitik. Ist das nicht gefährlich für die Union?

Schäuble Ich teile Ihre Wahrnehmung überhaupt nicht. Der Finanzminister wirkt an der wirtschaftlichen Entwicklung auch ein bisschen mit. Dann haben wir den Verkehrsminister, der einen der größten Etats verwaltet. Wir haben das Gesundheitsministerium. Das ist ein Ressort von zentraler Bedeutung. In diesem Jahr ist die Gesundheits- und Pflegereform neben dem Rentenpaket das andere große sozialpolitische Projekt. Und vor allem stellen wir die Kanzlerin.

Was halten Sie von der Debatte über den Wechsel von Ronald Pofalla?

Schäuble Ich habe Ronald Pofalla als Chef des Kanzleramts erlebt. Er ist jemand, bei dem man ganz sicher nicht den geringsten Zweifel haben kann, dass er für Führungsaufgaben in vielen Bereichen herausragend qualifiziert ist. Die Regierungszentrale der Bundesrepublik Deutschland zu leiten, ist ja nicht irgendeine Aufgabe. Viel größer geht es nicht in diesem Land.

Sollte sich die Politik eine Karenzzeit auferlegen vor einem Wechsel?

Schäuble Unser Problem in Deutschland ist doch eher, wenn man sich unsere Nachbarstaaten oder die USA anschaut, dass es zwischen Politik und Wirtschaft eher zu wenig als zu viel Austausch gibt. Diese Debatte trägt nicht gerade dazu bei, dass das in Zukunft besser wird.

Hat Sie persönlich die Beförderung von Frau von der Leyen zur Verteidigungsministerin überrascht?

Schäuble Ich fand, dass es eine sehr kluge Entscheidung ist. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie auch diese Aufgabe sehr gut erfüllen wird.

Wäre Frau von der Leyen in diesem Fall eine gute Kanzlerkandidatin?

Schäuble Es gibt in diesem Land mit 80 Millionen Menschen sicher mehr als einen Menschen, der sich als Kanzler eignen würde. Aber jetzt mal im Ernst: Mit Angela Merkel haben wir gerade einen triumphalen Wahlsieg erzielt, der ein eindeutiges Votum für sie als Bundeskanzlerin war. Ich verstehe die Begierde, jetzt zu spekulieren, was 2017 oder 2021 kommt zwar intellektuell, aber halte das für ein wenig gaga.

Und Sie? Ist das Ihre letzte Amtszeit?

Schäuble Ich bin zu meiner Freude wieder Finanzminister und beschäftige mich jetzt am Beginn einer Legislaturperiode mit den vielen Aufgaben, die vor uns liegen und sicherlich nicht mit 2017 und später. Das habe ich immer so gehalten und bin damit gut gefahren.

Michael Bröcker und Birgit Marschall führten das Gespräch.

(brö/mar)
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