Berlin "Schäublismus" jetzt auch beim IWF

Berlin · Auf seiner letzten Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds feiert Wolfgang Schäuble einen späten Triumph

Wolfgang Schäuble steckt nach seinem langen Leben als Politiker voller Anekdoten. Sie kommen ihm zupass, wenn es wichtig wird, sich auf internationalem Parkett Respekt zu verschaffen. Nötig war das zum Beispiel im Frühjahr, nachdem Schäubles neuer US-Kollege Steven Mnuchin gerade ins Amt gekommen war. Gleich beim ersten Treffen erzählte Schäuble dem neuen US-Finanzminister davon, wie es damals gewesen ist, als er zum ersten Mal John F. Kennedy getroffen hatte. Der stets schroff auftretende Mnuchin (54) soll dem Bundesfinanzminister danach mit mehr Wärme und Respekt begegnet sein.

Nun macht sich Schäuble heute zum letzten Mal auf nach Washington zur Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Er wird dort nicht nur seine Duz-Freundin, die IWF-Chefin Christine Lagarde, zu einem Vieraugengespräch treffen. Auch zahlreiche Finanzminister aus aller Welt haben im Vorfeld um ein letztes bilaterales Gespräch gebeten, bevor Schäuble am 24. Oktober auf den Stuhl des Bundestagspräsidenten wechselt. Wie zu Wochenbeginn in der Euro-Gruppe der Finanzminister wird Schäuble auch in Washington der große Bahnhof gemacht. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er der internationalen Finanzdebatte in den vergangenen Jahren seinen Stempel aufdrücken konnte. Mancher spricht vom "Schäublismus".

Was er vertreten hat, war lange und ist auch weiterhin umstritten: Schäuble warnte seit Überwindung der Finanzkrise vor weiterer Staatsverschuldung. Schuldenkrisen, so sein Argument, könnten nicht mit immer noch mehr Schulden gelöst werden, sondern nur mit Strukturreformen, begleitet von wachstumsfördernden Investitionen. In guten Zeiten müsse man sparen und sich Puffer aufbauen, um in einer neuen Krise wieder handlungsfähig sein zu können, so Schäuble.

Vor allem in den USA, aber auch in Europa sah man das lange anders. In Niedrigzins-Zeiten, lautet ein Gegenargument, könnten sich Staaten problemlos verschulden, um mehr in die Zukunft zu investieren. Doch nun, zum Ende seiner acht Jahre als Finanzminister, wendet sich das Blatt, zumindest in Teilen. Der IWF warnt die großen Nationen im neuen Weltwirtschaftsausblick vor der ausufernden Staatsverschuldung und fordert mehr Strukturreformen von ihnen. Lagarde hatte unlängst in internen Runden ein Schaubild präsentiert, das deutlich machte, dass die Staatsschuldenquoten der großen Länder heute bereits wieder genauso so hoch sind wie im Zweiten Weltkrieg. Nur sei heute kein Krieg.

Dabei hatte auch die IWF-Chefin Schäuble jahrelang widersprochen, was die Freundschaft der beiden auf eine echte Probe stellte. Vor allem in den USA wird Rezessionsbekämpfung durch kreditfinanzierte Konjunkturprogramme und Niedrigzinsen gern größer geschrieben. Reformen gelten als Wachstumsbremse.

Das Schlachtfeld dieser Debatten war aber stets Griechenland, von dem Schäuble zwar mit Härte Reformen einforderte, die das Land aber mit Erfolg verzögerte, auch dank der Schützenhilfe der vielen Schäuble-Kritiker. Auch Lagarde stellte sich gegen ihn und verlangte von den Europäern einen Schuldenerlass für Athen. Wenn sich in Griechenland nicht grundlegend etwas ändert, reden wir in drei Jahren über den nächsten Erlass, konterte Schäuble.

Nun aber denkt zumindest der IWF um. Die Regierungen sollten die Breite des weltweiten Aufschwungs nutzen, um überhöhte Staatsschulden abzubauen und Puffer für die Zukunft zu schaffen, so die Botschaft gestern bei der Vorlage der IWF-Konjunkturprognose.

Die Aussichten für das Wachstum schätzt der Fonds jetzt rosiger ein als noch im Juli. Er rechnet für die Welt inzwischen mit Zuwächsen von 3,6 Prozent in diesem und 3,7 Prozent im nächsten Jahr, je 0,1 Punkte mehr als zuletzt. Für Deutschland hob der Fonds seine Prognose um jeweils 0,2 Punkte auf 2,0 Prozent in diesem und 1,8 Prozent 2018 an. Allerdings überdecke der deutsche Dauer-Aufschwung auch viele Schwachstellen.

(mar)
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