Düsseldorf Schlappe für Lebensversicherungs-Kunden

Düsseldorf · Viele würden ihre Lebensversicherung gerne rückgängig machen. Doch das wird weiter nur mit Verlusten möglich sein. Der Bundesgerichtshof hat gestern entschieden, dass die Millionen bis 2007 geschlossenen Policen rechtmäßig sind.

In Zeiten von Minizinsen würden viele Bürger ihre Lebensversicherung gerne vorzeitig kündigen. In der Regel ist das aber mit hohen Verlusten verbunden - es sei denn, der einst geschlossene Vertrag stellt sich als unwirksam heraus. Mit großer Spannung haben viele Kunden daher gestern nach Karlsruhe geblickt. Dort verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) über die Gültigkeit von Verträgen, die zwischen 1994 und 2007 geschlossen wurden. Doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Der BGH urteilte, dass die alten Verträge trotz fragwürdigen Informationsgebarens der Versicherer nicht gegen das Europarecht verstoßen und daher weiter gültig sind. Das Schlupfloch zur Flucht aus den ungeliebten Verträgen bleibt damit zu.

Worum ging es im konkreten Fall?

Geklagt hatte ein Verbraucher, der 1998 eine Lebensversicherung beim Deutschen Herold abgeschlossen hatte. Diese hatte er 2004 vorzeitig gekündigt, was ihm Verluste von 4600 Euro einbrachte. Wegen des Abzugs von Gebühren und Provisionen erhielt er nicht mal die eingezahlten Prämien zurück, von Gewinnen ganz zu schweigen. Er verklagte die Versicherung und wollte den Vertrag für ungültig erklären lassen. Sein Argument: Wie es bei dem bis 2007 millionenfach benutzten "Policen-Modell" üblich war, wurde ihm die Belehrung, binnen zwei Wochen vom Vertrag zurücktreten zu können, erst mit dem Versicherungsschein zugestellt. Darin sah der Verbraucher einen Verstoß gegen das Europa-Recht. Dies schreibt eigentlich vor, dass eine Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss zu erfolgen hat, damit der Kunde in Ruhe prüfen kann, ob er wirklich unterschreiben will.

Wie entschieden die Richter?

Die Richter entschieden gestern gegen den Kunden. Es sei zwar richtig, dass die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt sei, aber der Kunde hätte ja noch in den zwei Wochen nach Erhalt vom Vertrag zurücktreten können. Zudem glauben die Richter offenbar, dass der Kunde die Sache mit dem Widerruf nur als Vorwand nutzte, um günstig aus dem Vertrag herauszukommen. Sie monierten, er habe sich widersprüchlich verhalten. Sechs Jahre lang habe er brav gezahlt, um dann zu entdecken, dass er schlecht informiert gewesen sei.

Was heißt das Urteil für andere Versicherte?

Der BGH findet, dass er ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt hat. Ein gegenteiliges Urteil hätte für alle Versicherten erhebliche Risiken bedeutet, erklärten die Richter. Denn wenn sie die nach dem Policen-Modell geschlossenen Verträge grundsätzlich für unwirksam erklärt hätten, hätten Millionen Kunden ohne Abschlag kündigen können. Laut Branchenverband GDV wurden zwischen 1994 und 2007 jährlich bis zu elf Millionen Policen geschlossen. Eine millionenfache Rückabwicklung aber hätte einzelne Versicherer in Not stürzen können. Zudem hätte das Urteil "rechtswidrig" bedeutet, dass Versicherer ihrerseits die Verträge hätten kündigen können. Angesichts der hohen Zinsversprechen von damals hätte das gewiss manche Assekuranz gerne getan.

Lohnt sich trotzdem die Kündigung einer Lebensversicherung?

Das Schlupfloch "unwirksame Verträge" hat der BGH also vereitelt. Gleichwohl fragen sich viele, ob sie ihre teuren und immer weniger ergiebigen Policen trotzdem kündigen sollen. Zumal in wenigen Tagen eine Rechtsänderung in Kraft tritt, wonach die Versicherer den Kunden nicht mehr die Hälfte der Bewertungsreserven bei festverzinslichen Wertpapieren ausschütten müssen. Deshalb also rasch aussteigen? Verbraucherschützer raten in vielen Fällen ab. Zeitdruck ist ein schlechter Ratgeber, meistens sind vorzeitige Kündigungen mit hohen Verlusten verbunden. Manchmal gibt es nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zurück, warnt die Verbraucherzentrale NRW. Zudem sind Erträge aus Lebensversicherungen, die vor 2005 geschlossen wurden, in vielen Fällen steuerfrei. Das gilt oft nicht für alternative Anlagen - die man zudem erst einmal finden muss .

(RP)
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