Düsseldorf Siemens-Chef Kaeser - Techniker der Macht

Düsseldorf · Gerissenheit und Timing haben den Arbeitersohn an die Spitze des bedeutendsten deutschen Industriekonzerns gebracht. Heute wird er 60.

Die Machtübernahme bei Deutschlands größtem Industriekonzern hatte Joe Kaeser geschickt eingefädelt. Öffentlich gelobte der damalige Siemens-Finanzvorstand 2013 dem glücklosen Konzernchef Peter Löscher zwar stets die Treue. Doch dem machtbewussten Bayern war längst klar, dass er sich absetzen musste, ohne am Ende als Königsmörder dazustehen.

Siemens hatte zu diesem Zeitpunkt turbulente Zeiten hinter sich. Die Korruptionsaffäre des Jahres 2006, die erst Siemens-Urgestein Heinrich von Pierer und später seinen Nachfolger Klaus Kleinfeld das Amt kostete, steckte dem Konzern immer noch in den Knochen. Hinzu kamen die Verwerfungen der Wirtschafts- und Finanzkrise.

Löscher wähnte sich in Sicherheit, weil er auf die Unterstützung der IG Metall baute. Doch die Belegschaft und damit auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hatten sich da schon längst von ihm abgewandt. Kaeser war es gelungen, sich als kompetentere Alternative zu profilieren. Am 31. Juli 2013 war der Finanzchef am Ziel. Der Aufsichtsrat bestimmte ihn zum Löscher-Nachfolger. Er wolle, dass alle Beschäftigten, Kunden, Geschäftspartner, ja ganz Deutschland, wieder so stolz sei auf Siemens wie er selbst, sagte der Neue.

Kaeser, der heute 60 Jahre alt wird, war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 33 Jahren bei Siemens. Nach seinem BWL-Studium in Regensburg hatte der Sohn eines Industriearbeiters aus dem Bayerischen Wald zunächst in der Bauelemente-Sparte des Konzerns angeheuert und sich Schritt für Schritt seinen Weg in Richtung Münchener Zentrale gebahnt.

Dabei blieb er bodenständig. Wo andere Manager mit ihrer Heimatverbundenheit bloß koketieren, ist sie bei Kaeser bis heute gelebte Praxis. Mit Ehefrau Rosemarie, einer Informatikerin, wohnt der 60-Jährige in unmittelbarer Nähe seines Elternhauses im beschaulichen Arnbruck - zumindest an den Wochenenden.

Um seine Ziele bei Siemens in die Tat umzusetzen, schwor der frühere Finanzvorstand schon kurz nach Amtsantritt zunächst die Siemens-Führungsebene auf sich ein und machte sich dann daran, den Konzern radikal umzubauen. Nur wenige Wochen im Amt verkündete Kaeser einen Personalabbau von 15.000 Stellen, 5000 davon in Deutschland. Aus dem freundlichen "Ich bin einer von euch"-Manager war schlagartig ein harter Sanierer geworden. Seinen volkstümlichen Schnauzbart hatte er sich vorsorglich schon ein Jahr zuvor abrasiert - böse Zungen behaupten aus reinem Kalkül. Immerhin präferiere Aufsichtsratschef Gerhard Cromme glatt rasierte Manager in Maßanzügen.

Für seine Strategie, die heute im Konzern insbesondere unter dem Namen "Vision 2020" bekannt ist, schaffte sich Kaeser einen Kreis von Getreuen. Der "Corporate Core", ein Führungsgremium mit sieben Kaeser ergebenen Top-Managern fungierte fortan als wichtigstes Entscheidungsgremium. Die erste große Bewährungsprobe kam mit der Übernahmeschlacht um Alstom. Siemens-Hauptkonkurrent General Electric hatte Interesse an den Franzosen. Kaeser gab ein Gegenangebot ab und schraubte so den Preis hoch. Das machte es verschmerzbarer, als Siemens am Ende unterlag. Wenig später übernahm Siemens für 7,6 Milliarden Dollar den US-Kompressorenhersteller Dresser-Rand - nur kurz bevor die Energiepreise in den Keller rauschten. Aus heutiger Sicht ein Fehlkauf. Doch den hat das Unternehmen bilanziell weitgehend abgehakt.

Noch ist Kaeser mit seiner "Vision 2020" nicht am Ende. Das Siemens-Portfolio will er weiterentwickeln, Themen wie die digitale Fabrik vorantreiben, die Medizintechnik an die Börse bringen, Kooperationen im Kraftwerksbereich ausloten. Drei Jahre hätte er dafür Zeit, vorausgesetzt der Aufsichtsrat verlängert seinen Vertrag 2018. Die Altersgrenze für Manager bei Siemens ist 63.

(maxi)
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