Düsseldorf Der dunkelste Ort im Internet

Düsseldorf · Kinderpornos, Drogen, Waffen - jahrelang boten Kriminelle auf der Plattform Silk Road Waren an. Nun erhielt der Gründer lebenslänglich.

Silk Road-Gründer Ross Ulbricht bekommt lebenslänglich
Foto: AP

Viele Menschen denken, dass sie im Internet alles finden können, wenn sie ihre Fragen bei Google eintippen. Sie irren.

Das wahre Internet muss man sich mehr wie eine Stadt vorstellen: Auf den Straßen herrscht buntes Treiben, Händler bieten ihre Waren feil, Menschen unterhalten sich, schlendern arglos durch die Gassen. Doch in dieser Stadt gibt es auch dunkle Ecken, geheime Räume, die nur findet, wer weiß, wonach er suchen muss. Hier vertreiben Kriminelle Kinderpornos, Waffen, Drogen. Auftragsmörder lassen sich hier ebenso finden wie gefälschte Ausweisdokumente. Eine dieser dunklen Ecken war die Silk Road, über die ein Mann herrschte, der sich selbst in Online-Chats nur "Dread Pirate Roberts" nannte.

Erst 2013 konnten ihn FBI-Agenten in San Fransisco festnehmen. Nun stand er vor Gericht. Und obwohl der heute 31-jährige Amerikaner Ross Ulbricht, der mehrere Auftragsmörder angeworben haben soll, die Richterin um Gnade anflehte, verurteilte sie ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe.

Da half es dem ehemaligen Pfadfinder auch nicht, dass er behauptete, Silk Road nur als ökonomisches Experiment gegründet zu haben. Das Physik- und Mathetalent begeisterte sich für die Österreichische Schule der Nationalökonomie, deren radikaler Vordenker Ludwig van Mises jegliche staatliche Einmischung in die freie Marktwirtschaft ablehnte.

Mit Silk Road wollte Ulbricht beweisen, dass die Theorie in der Realität funktionieren kann. Und nebenbei machte sie ihn, der pro Transaktion zwischen bis zu 15 Prozent Gebühren kassierte, reich. Immerhin sollen in den zweieinhalb Jahren des Bestehens der Silk Road Geschäfte in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar abgewickelt worden sein.

Dass die Kriminellen dabei so lange unentdeckt blieben, hängt auch mit der Struktur des so genannten Deep Web bzw. Darknet zusammen. Was hier passiert, wird von den herkömmlichen Suchmaschinen nicht erfasst. Die dunkle Seite des Internets verbirgt sich hinter dicken Schutzmauern. Besucher können sich mittels Anonymisierungssoftware völlig frei bewegen, bezahlt wird mit der Digitalwährung Bitcoin. "Tor" ist einer dieser Verschleierungs-Browser. Wer das Netz mit Tor betritt, verwischt hinter sich die Spuren und entzieht sich (fast immer) staatlicher Kontrolle.

Auch Whistleblower wie der Soldat Bradley (heute: Chelsea) Manning nutzten die sicheren Räume des Darknet aus, um der Enthüllungsplattform WikiLeaks brisantes Material zuzuspielen. "Die Anonymität, die durch Tor, Jabber und der Politik von WikiLeaks unterstützt wurde, erlaubte mir, dass ich mich wie ich selbst fühlen konnte, frei von Bedenken, abgestempelt zu werden, was mir oft im realen Leben passierte", sagte Manning, der Material über Folter und Verbrechen durch die US-Soldaten öffentlich machte, in seiner Aussage vor dem Militärgericht am 28. Februar 2013.

Manning wurde damals geschnappt, weil er sich gegenüber einem Bekannten verriet. Die Enttarnung von Ross Ulbricht erfolgte filmreifer: FBI-Beamte folgten dem jungen Mann in eine Bibliothek, wo er das WLAN nutzte, um mit einem Undercover-Agenten zu kommunizieren. Mit Hilfe eines fingierten Streits lenkten Agenten ihn kurzzeitig von seiner Tätigkeit ab - und konnten so verhindern, dass er den Laptop bei der Festnahme schließt. Erst die Chat-Protokolle enttarnten Ulbricht als Herrscher über den dunkelsten Ort im Internet.

(frin)
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