Düsseldorf So regnet das Geld in die Welt

Düsseldorf · Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Ausgegeben wird das meistgenutzte Zahlungsmittel von der Zentralbank. Doch es gibt einen weiteren "Geld-Produzenten": die Kreditwirtschaft.

Einmal alle Jubeljahre flammt in Deutschland die Debatte über Sinn und Unsinn des Bargeldes auf. Seine Gegner würden es angesichts von Kartenzahlung und elektronischen Zahlsystemen wie Paypal am liebsten abschaffen. Die Mehrheit der Deutschen kann sich ein Leben ohne Scheine und Münzen dagegen nicht vorstellen.

Das Geld als solches würde wohl keine der beiden Parteien in Frage stellen. Stellen wir uns einmal eine Volkswirtschaft ohne Geld vor. Damit nicht alle Menschen als Selbstversorger Ackerbau und Viehzucht betreiben müssen, sind sie auf Handel angewiesen. Denn schon die Väter der modernen Ökonomie, Adam Smith und David Ricardo, machten klar: Arbeitsteilung lohnt, weil die Menschen auf diese Weise insgesamt mehr Waren herstellen können als ohne.

Nimmt man der Einfachheit halber an, in der Volkswirtschaft würden nur Holz, Wolle, Getreide, Lehm und Erz erzeugt - ganz so wie bei dem Brettspiel "Die Siedler von Catan" -, dann gäbe es zehn verschiedene Tauschrelationen zwischen diesen Waren: Holz für Wolle, Holz für Getreide, Holz für Lehm, Holz für Erz, Wolle für Getreide, Wolle für Lehm, Wolle für Erz, Getreide für Lehm, Getreide für Erz und Lehm für Erz. Ganz schön kompliziert. Würden sich die Bewohner stattdessen auf eines der Güter als Währung einigen, zum Beispiel das Holz, würde die Zahl der Tauschrelationen auf nur noch vier zusammenschnurren. Schließlich ließe sich der Wert jedes Gutes fortan in Holz ausdrücken. Das Holz-Geld diente nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Recheneinheit.

Für Ökonomen gibt es noch einen weiteren Vorteil des Geldes: Will der Erzproduzent sich einen schönen Pullover stricken, das Projekt allerdings erst in einigen Wochen angehen, kann er sein Erz schon heute gegen Holz verkaufen, den Einkauf der Wolle aber auf unbestimmte Zeit verschieben. Geld hat eine Wertaufbewahrungsfunktion.

Doch wie gelangt es nun tatsächlich in unsere Welt? Es gibt zwei "Geld-Produzenten". Da sind die Notenbanken, im Falle des Euro-Raums die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt. Sie ist gemeinsam mit den nationalen Notenbanken für die Ausgabe des Bargelds in Form von Scheinen verantwortlich. Münzen dürfen dagegen die Staaten selbst prägen - obwohl viele dies ihren Notenbanken überlassen. Doch die Geschäftsbanken sind ebenfalls in der Lage, Geld zu schaffen - wenn auch nicht in Form von Münzen oder Scheinen.

Und das läuft folgendermaßen: Ein Unternehmer geht zu seiner Hausbank und besorgt sich dort einen Kredit. Das Geld schreibt die Bank der Firma auf einem Girokonto gut - weshalb man auch von Buch- oder Giralgeld spricht. Das Unternehmen wird es dort nicht liegen lassen, sondern ausgeben. Es zahlt damit die Löhne seiner Angestellten. Die wiederum gehen mit dem Geld auf Einkaufstour - unter anderem beim eigenen Arbeitgeber. Der nimmt dann die erzielten Einnahmen zur Abbezahlung des Ursprungskredites - plus Zinsen und Gebühren, schließlich will auch die Bank etwas verdienen. Sobald der Kredit vollständig getilgt ist, verschwindet das durch ihn entstandene Giralgeld wieder aus dem System. Auf die Geldschöpfung folgt also die Geldvernichtung.

Zugegebenermaßen ist das eine recht stark vereinfachte Darstellung. So werden die Beschäftigten nicht ihren Lohn auf einen Schlag ausgeben - noch dazu nicht nur für Produkte der eigenen Firma. Einen Teil des Geldes "parken" sie bei ihrer Hausbank. Die wiederum wird die Einlage ihrer Kunden nicht im Tresor bunkern wollen, sondern mit den Beträgen arbeiten. Einen Teil des Geldes behält sie als Sicherheitsreserve. Den Rest kann sie anderen Kunden als Kredit vergeben. Experten sprechen deshalb von "multipler Geldschöpfung". Denn das Geldangebot besteht inzwischen nicht mehr nur aus dem Ursprungskredit des ersten Unternehmens, sondern ist um den Betrag der neuen Kredite gestiegen.

Um Kredite auszugeben, sind die Banken aber nicht allein auf die Einlagen ihrer Kunden angewiesen. Deutsche Bank, Commerzbank und Co. beschaffen sich Mittel entweder voneinander oder bekommen frisches Geld direkt bei der Zentralbank. Auch dabei handelt es sich um Kreditgeschäfte. Die Banken müssen zunächst Wertpapiere bei der EZB als Pfand hinterlegen. Im Gegenzug bekommen sie den vereinbarten Betrag auf einem bei der EZB hinterlegten Girokonto gutgeschrieben. Das sind die sogenannten Sichteinlagen.

Mit dem Betrag können die Geschäftsbanken arbeiten - allerdings nicht in voller Höhe. Denn sie müssen eine sogenannte Mindestreserve bei der EZB parken. Ein Prozent der Sichteinlage beträgt derzeit der Mindestreservesatz. Dieser kann von Zentralbank zu Zentralbank variieren. Die US-Notenbank Fed verlangt beispielsweise zehn Prozent, die chinesische Notenbank sogar 20 Prozent. Letzteres wäre im Euro-System gar nicht möglich, denn die EZB-Satzung sieht vor, dass die Mindestreserve höchstens zehn Prozent betragen darf. Die Mindestreserve ist nicht nur eine Risikovorsorge für die Banken, sondern ein Steuerungsinstrument für die Zentralbanken. Denn damit kann sie die Geldmenge beeinflussen: Je höher sie ausfällt, desto weniger Geld kommt in Umlauf.

Dafür gibt es aber noch einen weiteren Mechanismus: den Zinssatz. Denn die EZB lässt sich die Kreditvergabe an die Banken bezahlen. Der Hauptrefinanzierungssatz gilt als wichtigster Leitzins. Je höher dieser ausfällt, desto teurer wird es für die Banken, sich Geld zu beschaffen. Dank der Politik des "billigen Geldes" von EZB-Chef Mario Draghi liegt der Leitzins derzeit bei null Prozent.

Das bringt die Banken allerdings in Nöte: Da sich die Kreditzinsen am Leitzins orientieren, ist ihr Kreditgeschäft wenig lukrativ. Sie können - ganz so wie der Privat- oder Firmenkunde bei ihnen - nicht benötigte Mittel bei der EZB parken. Allerdings verlangt diese dafür eine Gebühr. Diese wird auch als Negativzins bezeichnet und beträgt 0,4 Prozent. Die Idee dahinter: Draghi will verhindern, dass die Banken lieber ihre Mittel bei der EZB horten, anstatt Kredite zu vergeben.

Die Notenbank hat übrigens noch weitere Hebel, um Geld in Umlauf zu bringen. Sie kann von Banken oder an den Börsen Gold, Devisen oder Wertpapiere kaufen. Auch dieses Instrument lässt EZB-Chef Draghi gerade exzessiv nutzen, um die Märkte mit Geld zu fluten. Diese Anleihenkäufe führt im Übrigen die EZB nicht selber aus, sondern überlässt diese sechs nationalen Notenbanken - darunter der Bundesbank. Andersherum kann durch einen Verkauf solcher Aktiva dem System wieder Notenbankgeld entzogen werden.

Geld ist im Übrigen nicht gleich Geld. In der Volkswirtschaftslehre werden unterschiedliche Definitionen verwendet. Dabei gilt: Je schneller sich ein Aufbewahrungsmittel wieder in echtes Bargeld verwandeln lässt, desto liquider ist es. In Wahrheit sind weit mehr Dinge Geld als Münzen und Scheine. Ökonomen unterscheiden in der Regel drei verschiedene Geldbegriffe: Die schärfte Definition verbirgt sich hinter dem Begriff M1: Dieser umfasst neben dem im Umlauf befindlichen Bargeld auch die Sichtguthaben von Privatleuten, Firmen und dem Staat bei den Geschäftsbanken. Sichtguthaben ist zum Beispiel Geld, das sich auf einem Girokonto befindet und mit Hilfe einer Karte problemlos als Zahlungsmittel an der Supermarktkasse akzeptiert wird.

Bei der zweiten Form des Geldes, der Geldmenge M2, sind darüber hinaus Bestandteile enthalten, bei denen es schon etwas mehr Mühe macht und mitunter sogar Kosten anfallen, um daraus wieder Bargeld zu machen. Zur M2 zählen auch Terminguthaben - also beispielsweise Festgeld oder Sparguthaben, für die der Kunde mit der Bank eine bestimmte Kündigungsfrist vereinbart hatte. Unter Experten gibt es Streit darüber, wie lang diese Fristen sein dürfen. Nach der Definition der Bundesbank sind Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren in M2 enthalten.

Die am weitesten gefasste Gelddefinition M3 beinhaltet neben den zuvor geschilderten Elementen auch noch weitere kurzfristige Geldanlagen, die von Banken und Finanzinstituten ausgegeben werden, etwa kurzfristige Bankschuldverschreibungen mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren, von Geldmarktfonds ausgegebene Geldmarktfondsanteile sowie die sogenannten Repogeschäfte. Bei Letzterem verkauft die Bank einem Kunden für eine bestimmte Zeit ein Wertpapier, verpflichtet sich aber, dieses nach einer gewissen Zeit wieder zurückzukaufen. Die Laufzeit beträgt meist nicht mehr als ein Jahr, oft sogar nur wenige Tage.

(maxi)
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