Düsseldorf/München Staatsanwälte versagen bei Managern

Düsseldorf/München · Vermutlich werden Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen und mehrere Ex-Vorstände der Bank vom Vorwurf des Prozessbetruges freigesprochen. Auffällig oft scheitern solche Anklagen. Die Staatsanwälte verrennen sich offenbar.

Was ist die objektivste Behörde der Welt laut ihrer eigenen Innensicht? Die deutsche Staatsanwaltschaft. Denn im Gegensatz zu Anklägern in vielen andereren Ländern wie speziell den USA sollen die beamteten Staatsanwälte jeden Fall von allen Seiten beleuchten - und so selbst ungerechte Anklagen und unnötige Gerichtsverfahren verhindern.

Nach einer Vielzahl spektakulär gescheiterter Verfahren müssen Fragezeichenhinter den hohen Anspruch gesetzt werden. Christian Wulff trat 2012 als Bundespräsident zurück, weil ihm Korruption vorgeworfen wurde - nach einem spektakulären Prozess wurde er ohne Einschränkung freigesprochen. Mit einem Freispruch erster Klasse endete vor dem Stuttgarter Landgericht auch das Verfahren gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wegen angeblicher Manipulation von Aktienkursen. Das Gericht befand, an den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft sei "nichts dran, nichts, - weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte", so der Vorsitzende Richter Frank Maurer. Und beim Verfahren gegen Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen, die Ex-Bankchefs Rolf Breuer und Josef Ackermann sowie zwei weitere frühere Vorstände des Geldhauses scheint ein Freispruch am 26. April auch schon festzustehen. Eine erneute Durchsuchung der Deutschen Bank, bei der die Staatsanwaltschaft Beweise für angebliche geheime Absprachen zur Abwehr einer Schadenersatzklage von Leo Kirch zu finden hoffte, lehnte Richter Peter Noll ab. Er könne nicht "Vermutungen ins Blaue hinein" nachgehen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft lasse "jede Auseinandersetzung mit der Beweisaufnahme vermissen", erklärte Noll, der als grüner Kommunalpolitiker sicher nicht im Verdacht steht, Symphatisant des Großkapitals zu sein.

Die Verfahren bestätigen, wie sich die Anklagebehörden bei komplexen Verfahren verrennen. "Staatsanwälte sind zwar sicher der Objektivität verpflichtet, aber gerade bei für die Öffentlichkeit wichtigen Verfahren kann es zu einer gewissen Schieflage kommen", meint der Kölner Strafverteidiger Björn Gercke. "Wenn zwei Jahre lang ermittelt wurde, kann es für Staatsanwälte schwer sein, zuzugeben, dass nichts herausgekommen ist", spottet Anwalt Sven Thomas, der prominente Manager wie Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vertrat. Der Frankfurter Strafrechts-Professor Matthias Jahn weist daraufhin, die Verteidiger seien den Staatsanwälten schon rein "finanziell, personell und sachlich" meist überlegen: "Es herrscht oft keine echte Waffengleichheit. Der Staat muss teilweise mehr in die Justiz investieren."

Bei der Love-Parade-Katastrophe in Duisburg machte die Justiz wahrscheinlich den Fehler, sich bei der Anklage zehn Beschuldigter überwiegend auf das Gutachten des Panikforschers Keith Still zu verlassen. Doch dieses Gutachten hatte Fehler, und so unterblieb der Nachweis, dass es wegen des engen Zugangsweges fast automatisch zum Massengedränge mit 21 Toten kommen musste. "Hätten die Staatsanwälte die Überlastung der Wege selber ausgerechnet, hätte das die Anklage weniger angreifbar gemacht" sagt ein Anwalt.

Wie sich Ankläger mit ihrer Arbeit verheddern können, zeigte auch das Verfahren gegen Ex-Porsche-Chef Wiedeking und seinen Ex-Finanzchef Holger Härter. Eine "Armada an Staatsanwälten und Polizei" habe es in sechs Jahren nicht geschafft, den Verdacht der Marktmanipulation zu erhärten, sagte Richter Maurer. Die Unterlagen füllten 20 Ordner. Es gab Durchsuchungen. Aber keiner der Zeugen und Gutachter vor Gericht stützte die Anklage, das Vorstandsduo habe gezielt die Aktienkurse beeinflusst und schon im März 2008 heimlich entschieden, VW mit kreditfinanzierten Aktienkäufen zu übernehmen.

Selbst wenn ein Bürger nicht verurteilt wird, haben Ermittlungen oder Anklagen durch Staatsanwälte drastische Folgen. "Die öffentliche Begleitung auch nur von Ermittlungen kann Karrieren brechen", sagt Starverteidiger Thomas. So beschädigte es Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke massiv, dass lange gegen ihn wegen möglicher Mitwisserschaft an Spitzelaktionen ermittelt worden war - angeklagt wurde er aber nie.

Gibt es keinen unstrittigen Schuldbeweis, schließt das Sanktionen nicht aus. Beim Mannesmann-Prozess zahlte Ex-Vorstandschef Klaus Esser eine Geldauflage von 1,5 Millionen Euro, weil er eine Millionenprämie nach der Übernahme durch Vodafone angenommen hatte - ein Schuldeingeständnis war das trotzdem nicht. Ein noch absurderer Kompromiss wurde beim Prozess gegen Bernie Ecclestone ausgehandelt. Nach vielen Verhandlungstagen konnte dem Chef der Formel 1 nicht nachgewiesen werden, einen Ex-Vorstand der BayernLB bestochen zu haben. Der Verdacht habe sich "in wesentlichen Teilen nicht erhärtet", begründete der Richter die Verfahrenseinstellung. Ecclestone zahlte trotzdem 100 Millionen Dollar als Geldauflage. Formal blieb er unschuldig. Es war keine Sternstunde des Rechtsstaates, dass die Vorwürfe so nie richtig geklärt wurden.

(RP)
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