Staatsfinanzen 19,4 Milliarden Euro - Deutschland erzielt Rekordüberschuss

Frankfurt/Main · Blaue Briefe aus Brüssel muss Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis auf Weiteres nicht fürchten. Mit einem Rekordüberschuss von rund 19,4 Milliarden Euro sind der deutsche Staat, Länder, Gemeinden und Sozialkassen auch in Europa einsame Spitze.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Während Deutschland mit dem zweiten Milliardenüberschuss in Folge weit entfernt ist von der europäischen Drei-Prozent-Schuldenobergrenze, rechnet die EU-Kommission für alle anderen großen Euro-Volkswirtschaften für 2015 mit Defiziten: Spanien (-4,8 Prozent), Frankreich (-3,7), Italien (-2,6).

Positiv wird die Bilanz der öffentlichen Kassen für das abgelaufene Jahr nach der jüngsten EU-Prognose außer in Deutschland nur in Estland (+0,3) und Luxemburg (+0,2) ausfallen. In Deutschland betrug das Plus nach aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Wie erwartet weckten die glänzenden deutschen Zahlen Begehrlichkeiten - unter anderem wegen der Herausforderungen der Flüchtlingszuwanderung. "Der Bundesfinanzminister muss endlich seinen Widerstand gegen sinnvolle Maßnahmen für mehr und bessere Integration aufgeben", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem 30 Zeitungen angehören. "Wir müssen jetzt dort investieren, wo das Geld allen Menschen in unserer Gesellschaft zu Gute kommen." Barley nannte etwa Schulen, Kitas und sozialen Wohnungsbau. "Die Zukunft gestaltet man nicht durch das dogmatische Festhalten an einem rigiden Sparkurs", betonte Barley.

Union: Kein Grund zur Euphorie

Der Koalitionspartner trat umgehend auf die Bremse. "Der erzielte Finanzierungsüberschuss des Jahres 2015 ist kein Grund für Euphorie und bietet keinen Raum für neue Ausgabewünsche", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus. "Vielmehr muss der eingeschlagene Konsolidierungspfad auf allen staatlichen Ebenen konsequent fortgesetzt werden. Angesichts der Herausforderungen im Bereich Migration brauchen wir jeden Cent zur Deckung der Kosten von Flucht und Einwanderung."

Auch die Kommunen, die nach tiefroten Zahlen im Vorjahr 2015 mit 3,9 Milliarden Euro Überschuss überraschend gut abschnitten, mahnten zu einem realistischen Blick auf die Zahlen. "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Staat in der derzeitigen Niedrigzinsphase immense Zinsausgaben einspart, was aber nicht bedeutet, dass der Schuldenberg an sich kleiner geworden ist", konstatierte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke. "Deshalb ist nur davor zu warnen zu glauben, die Staatsfinanzen hätten sich vollends erholt und es gäbe neue Ausgabenspielräume."

Zinstief als Segen

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW/Köln) verweist ebenfalls auf den Segen des Zinstiefs für die öffentlichen Kassen, daher sei "ausgiebiges Schulterklopfen bei Finanzministern und Kämmerern unangebracht". Trotz der niedrigen Zinsen seien "Investitionen in den vergangenen Jahrzehnten schmerzlich vernachlässigt" worden - etwa in Straßen, Schulen und schnelles Internet.

Henneke erklärte zudem, die Zahlen des Bundesamtes seien "mit der nötigen Vorsicht zu genießen". In der Tat ist die Art der Berechnung der öffentlichen Kassen und des Bundesamtes nicht vollkommen deckungsgleich, so dass sich Abweichungen ergeben können. Während der Bund bei seinen Berechnungen die Kassenlage nach Einnahmen und Ausgaben feststellt und so nach vorläufigen Zahlen für 2015 auf 12,1 Milliarden Euro Überschuss kam, stellte das Statistische Bundesamt für den Bund 10,3 Milliarden Euro Überschuss fest. Die Wiesbadener Behörde verbucht etwas dann, wenn sich das Vermögen des Staates tatsächlich geändert hat.

Beispiel Mobilfunklizenzen: Während der Bund die 5,1 Milliarden Euro der Versteigerung im vergangenen Jahr direkt als Einnahme verbuchte, berücksichtigen die Wiesbadener Statistiker diese Gelder erst im Laufe der Jahre - je nachdem, ab wann die Käufer die Lizenzen auch tatsächlich nutzen können.

Sicher ist: Angesichts der Zuwanderung Hunderttausender Flüchtlinge kommt der höchste staatliche Überschuss seit der Wiedervereinigung gerade recht. Schäuble hat bereits angekündigt, mit einem Teil der Gelder die Kosten der Flüchtlingszuwanderung bewältigen zu wollen.
"Wir werden die Rücklage dringend brauchen, um die zusätzlichen Leistungen zur Unterbringung und Integration der Flüchtlinge zu finanzieren", erklärte Schäuble.

Denn ein Ziel will Deutschlands oberster Kassenwart möglichst nicht opfern: die "Schwarze Null". "Wenn irgendwie möglich, wollen wir es ohne neue Schulden leisten", betonte Schäuble Anfang Februar. Eines müsse klar sein: "Wir können uns nicht mehr alles und jedes leisten."

(felt/dpa)
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