Duisburg Stahlkocher beschimpfen Thyssenkrupp-Chef

Duisburg · Mit einer choreographierten Protestveranstaltung hat die Belegschaft gegen Werksschließungen und Stellenabbau protestiert. Sie wirft Heinrich Hiesinger vor, die Mitarbeiter mit ihren Existenzängsten allein zu lassen.

Abergläubische Menschen konnten es als schlechtes Omen werten, dass die Country-Band Mavericks gestern nur mit deutlich schmalerer Besetzung als üblich auf die Bühne trat. Zwei der fünf Musiker fehlten beim Aktionstag der IG Metall vor der Hauptverwaltung von Thyssenkrupp Steel in Duisburg. Ein Sinnbild für den drohenden Arbeitsplatzabbau beim Stahlkonzern? Das wäre wohl eine übertriebene Interpretation, aber die Sorge um den eigenen Job - sie bestimmt derzeit das Leben vieler Teilnehmer der Protestkundgebung. Einer hielt ein Schild mit dem Foto des 2013 verstorbenen Firmen-Patriarchen Berthold Beitz in die Höhe, darauf der Spruch "So tritt der Thyssenkrupp-Vorstand mein Erbe mit Füßen!"

Nach Gewerkschaftsangaben waren mehr als 7000 Demonstranten auf den Platz an der Kaiser-Wilhelm-Straße geströmt, der Betriebsrat sprach sogar von 9000 Teilnehmern. In jedem Fall gut choreographiert von der IG Metall, die damit den Druck auf den Vorstand erhöhen will. Der wollte bei der für den gleichen Tag angesetzten Aufsichtsratssitzung den Umbau der Stahlsparte zu der konzernweit bereits geltenden Matrix-Organisation erläutern - ein Baustein des Programms "One Steel".

Doch die Arbeitnehmerseite lehnte es ab, über das Projekt abzustimmen. Der Vorstand habe einfach zu wenig Informationen zur Verfügung gestellt, sagte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Thyssenkrupp Steel, Günter Back, unserer Redaktion. "Wir haben deshalb einen Aufschub durchgesetzt."

Zuvor hatte der stellvertretende Aufsichtsratschef und frühere IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel sogar damit gedroht, die Arbeitnehmerseite werde komplett gegen "One Steel" stimmen. In jedem Fall dürfte die Botschaft an das Konzernmanagement klar gewesen sein: Informiert uns detailliert, ansonsten gibt es Streit.

Vor allem Finanzvorstand Guido Kerkhoff ist zur Hassfigur der Gewerkschafter geworden. Der hatte bei der jüngsten Vorlage der Geschäftszahlen gesagt, die Belegschaft müsse auch eine gewisse Zeit der Unsicherheit aushalten. Das sei arrogant, sagte der IG-Metall-Bezirksleiter von NRW, Knut Giesler: "Diese Menschen wissen nicht mehr, was Existenzangst heißt." Er warf Konzernchef Hiesinger erneut vor, dieser habe nicht ausreichend erklärt, warum eine Konsolidierung und Einsparmaßnahmen in der Stahlsparte nötig seien. "Ich erwarte endlich Informationen zu der Restrukturierungsnotwendigkeit. Wir brauchen Fakten und nicht nur dummes Geschwätz."

Back unterstellte Hiesinger, dieser versuche die Belegschaft zu spalten, indem er den Duisburger Standort als sicher bezeichne. "Wir wissen doch, wer die Abnehmer unseres Stahls sind", sagte er mit Blick auf die anderen Thyssenkrupp-Werke. "Wenn es soweit kommen sollte, wäre auch der Standort Duisburg betroffen."

Die Sorge ist groß, dass das Management sich gänzlich vom Stahlgeschäft verabschieden könnte. "Wir müssen aufpassen, dass aus ,One Steel' nicht am Ende ,Ohne Steel' wird", warnte Back.

Ähnlich äußerte sich Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath. Man müsse nur schauen, was Großaktionär Cevian bei Bilfinger gemacht habe: Erst sei das Kerngeschäft verkauft worden, jetzt komme der Konzern nicht mehr auf den grünen Zweig. Auch bei Thyssenkrupp solle offenbar "die Braut hübsch gemacht und dann verkauft werden", sagte Segerath. "Solchen feuchten Finanzträumen müssen wir einen Riegel vorschieben."

(maxi)
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