Bergkamen Steilmann droht die Pleite

Bergkamen · Der Modehersteller hat Insolvenzantrag gestellt - gerade mal drei Monate nach dem völlig misslungenen Börsengang. Der Konzern leidet wie andere in der Branche unter dem Konsumwandel und der Lust am Kauf über das Internet.

Die Steilmann-Gruppe war einst der größte Textilkonzern Europas. Doch Tradition allein bewahrt ein Unternehmen nicht vor existenzbedrohenden Krisen. Und in der steckt Steilmann - zum zweiten Mal binnen zehn Jahren. Die Banken haben den Stecker gezogen, wie eine Firmensprecherin bestätigt hat. Es gab keine Alternative mehr zum Insolvenzantrag.

Vier Monate nach dem Börsengang, der schon ein Flop war, droht Steilmann das Aus. Wäre die Emission im November 2015 gelungen, hätte Steilmann vielleicht eine bessere Perspektive gehabt. Vielleicht. Doch der Aktienverkauf brachte gerade mal neun Millionen Euro, nicht mal ein Zehntel dessen, was sich die Steilmann-Verantwortlichen erhofft hatten. Der Insolvenzantrag hat auch noch viele von denen vertrieben, die im November eingestiegen waren. Der Kurs der Aktie, die im November mit 3,50 Euro gestartet war, lag am Donnerstagabend gerade noch bei 32 Cent. Minus 73 Prozent - viel steiler kann man nicht abstürzen. Aktionärsschützer sind alarmiert. Es wird darüber diskutiert, ob Steilmanns Lage schon im November so schlecht war, dass man Aktien- und Anleihenkäufer hätte informieren müssen

Jetzt soll ein Insolvenzverwalter Steilmann sanieren - ein Unternehmen mit großem Namen. Firmengründer Klaus Steilmann, der 2009 starb, war nicht nur als Modemensch ein Begriff, sondern auch als Mäzen und Präsident des zeitweiligen Bundesligisten Wattenscheid 09. Seine Tochter Britta war mehrfach im väterlichen Unternehmen tätig, fiel zudem als Öko-Managerin des Jahres, als jüngste Trägerin eines Bundesverdienstkreuzes, in Wattenscheid als erste Managerin eines Fußballbundesligisten und als Beraterin des SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping auf. Heute betreibt sie ihr eigenes Unternehmen und führt zusammen mit Schwester Ute die Klaus Steilmann Immobilien GmbH & Co. KG in Bochum-Wattenscheid.

Den Abstieg von Steilmann haben sie alle nicht aufhalten können. Der kündigte sich schon ausgangs der 90er Jahre an. Wie vielen anderen setzte der durch die Globalisierung entstehende Preisdruck auch Steilmann zu. In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende wurde saniert, es wurden Tausende Arbeitsplätze gestrichen, auch Steilmann ließ schließlich in Billiglohnländern fertigen und schloss die Produktion in Deutschland - ohne durchschlagenden Erfolg. 2006 stellte Steilmann zum ersten Mal Insolvenzantrag, doch da ging noch alles glimpflich aus. Die italienische Miro-Radici-Gruppe, die schon Anteile an Steilmann besaß, übernahm das Unternehmen komplett.

Auch das hat die Traditionsfirma nicht in die Erfolgsspur zurückgebracht. Steilmann leidet wie andere darunter, dass Mode offensichtlich gegenüber anderen Konsumgütern an Bedeutung verloren hat, dass Ketten wie H&M, Zara und Primark die ganze Wertschöpfungskette aus einer Hand anbieten, dass immer mehr klassische Anbieter aus den Fußgängerzonen verschwinden, weil es manchen Käufern bequemer erscheint, im Internet zu bestellen als im Laden anzuprobieren. Das trifft nicht nur die Händler, sondern auch die Hersteller, denen die Verkaufskanäle abhanden kommen. Dazu kommen dann milde Winter, die den Verkauf von Winterkleidung extrem erschweren.

Steilmanns Krise lässt Aktionäre auch daran zweifeln, ob Tochterunternehmen betroffen sein könnten. Die Modekette Adler, an der Steilmann zusammen mit dem Investor Equinox knapp 53 Prozent hält, sieht zwar keine "nennenswerten" Auswirkungen und verweist darauf, dass es keinen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit Steilmann gebe. Dennoch verlor die Adler-Aktie zwischenzeitlich acht Prozent.

(RP)
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