Seattle Steve Ballmer: Basketball statt Microsoft

Seattle · Ganz oder gar nicht: Das ist das Lebensmotto von Steve Ballmer. Mit hohem Einsatz war er 14 Jahre lang Chef von Microsoft. Jetzt zieht er sich auch aus dem Aufsichtsrat zurück und ist fortan Inhaber eines Basketball-Klubs.

Wie impulsiv Steve Ballmer sein kann, wissen fast alle Mitarbeiter des größten Softwarekonzerns der Welt: "I love this company", brüllte er nach ekstatischen Schreien bereits 2006 auf einer Betriebsversammlung - das Video des Auftritts gehört zu den Knüllern bei Youtube, kein deutscher Konzernchef würde so auftreten.

Nun zeigt sich, dass der 58-jährige Steve Ballmer auch bei seinen beruflichen Entscheidungen nicht ganz ohne Emotionen ist. Obwohl er mit einem Anteil von vier Prozent wichtigster Aktionär des Unternehmens ist - Firmengründer Bill Gates hat nach vielen Verkäufen etwas weniger - , gibt Ballmer sein Mandat im Verwaltungsrat ab.

Es sei "unpraktisch" für ihn, die erst im Februar übernommene Aufgabe wahrzunehmen, schreibt Ballmer in einem in der Nacht zu gestern veröffentlichten Brief. Im Herbst müsse er einige Vorträge vorbereiten und sich auf seine Arbeit als neuer Inhaber des Basketball-Klubs Los Angeles Clippers konzentrieren, ergänzt Ballmer. Also trete er "mit sofortiger Wirkung" vom Verwaltungsrat zurück - "mit besten Grüßen, Steve".

Für Microsoft endet damit eine Ära, für das Verkaufsgenie Ballmer ist es wohl eine eher persönliche Entscheidung nach 34 Jahren im Unternehmen.

Er lobt zwar öffentlich die neue Strategie seines seit Februar amtierenden Nachfolgers Satya Nadella, den Konzern mehr auf Aktivitäten rund um die Cloud zu konzentrieren - also Programme und Inhalte direkt aus dem Internet abrufbar zu machen. Doch gleichzeitig wirkten einige Entscheidungen von Nadella in den vergangenen Wochen wie Ohrfeigen für Ballmer: Der hatte in seinen 14 Jahren als Vorstandschef angesichts exzellenter Gewinne immer neues Personal eingestellt - Nadella verkündete, dass 18 000 der knapp 100 000 Mitarbeiter gehen müssen. Ballmer hatte für 5,4 Milliarden Euro die Gerätesparte von Nokia geschluckt, um gegen die Dominanz von Apple und Google ("Android") bei Smartphones anzutreten, Nadella schickt nun die Hälfte der Nokia-Belegschaft nach Hause.

Doch so sehr also auch verletzter Stolz von Ballmer ein Grund für seinen nun endgültigen Rückzug bei Microsoft sein mag, so muss dem alten Haudegen und begeisterten Sportfan doch zugestanden werden, dass er eines neues "Baby" gefunden hat.

34 Jahre lang arbeitete der Harvard-Absolvent seit dem 24. Lebensjahr für Microsoft. Er war der erste leitende Angestellte unter Firmengründer Bill Gates, der zeitweise auch mit ihm studiert hatte. Als Dank für seine Verdienste bekam Ballmer acht Prozent der Konzernaktien überschrieben, aber jetzt rufen neue Ziele: Nach monatelangem Kleinkrieg hat Ballmer vor wenigen Tagen den Basketball-Klub Los Angeles Clippers für zwei Milliarden Dollar (1,5 Milliarden Euro) gekauft.

Damit hat er zwar nur ein Zehntel seines persönlichen Vermögens von umgerechnet 15 Milliarden Euro in den Sportklub investiert, doch Ballmer bringt sich erneut voll ein: "Sind Clippers-Fans hier? Ich kann euch nicht hören", brüllte er soeben beim Fanfest. Zum Song "Lose Yourself" ("Verliere Dich selbst") von US-Rapstar Eminem peitschte Ballmer die 5000 Fans dann auf: ""Nichts stellt sich uns in den Weg. Boom. Wir werden der harte Kern sein."

Gehen Microsoft und Ballmer nun ganz getrennte Wege? Nein, Ballmer erklärt ausdrücklich, seinen verbliebenen Anteil von vier Prozent der Aktien halten zu wollen. Deren Wert lag gestern bei 11,2 Milliarden Euro. Ballmer lobt Microsoft als "hervorragend für die Zukunft aufgestellt", der Konzern ziehe noch immer die besten Talente an.

Dass neue Aktivitäten nicht zum Rückzug aus dem Verwaltungsrat führen müssen, zeigt im Übrigen Bill Gates: Der 58-Jährige trat schon im Jahr 2000 als Microsoft-Chef ab, hat mit seiner Frau eine der größten Stiftungen der Welt aufgebaut und sammelt weiter für sie Geld ein - Verwaltungsrat und Berater von Microsoft ist Gates aber weiterhin.

(RP)
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