Sanierungsexperte Hans Peter Döhmen im Interview "Strauss Innovation gab zu viele Rabatte"

Düsseldorf · Der Sanierungsexperte berät die angeschlagene Langenfelder Warenhauskette Strauss Innovation. Döhmen glaubt an den Fortbestand des Traditionsunternehmens, eine Perspektive für alle 96 Filialen sieht er jedoch nicht, wie er im Interview mit unserer Redaktion erklärt.

 Hans Peter Döhmen ist Sanierungsexperte im Fall Strauss Innovation.

Hans Peter Döhmen ist Sanierungsexperte im Fall Strauss Innovation.

Foto: Matzerath, Ralph

Ist Strauss bei den Sanierungsbemühungen im Zeitplan?

Döhmen Absolut. Wir müssen dem Gläubigerausschuss und dem Amtsgericht bis Ende März den Sanierungsplan vorlegen. Bis dahin sollten wir die Gespräche vor allem mit den Vermietern sowie den Arbeitnehmervertretern, auch mit Lieferanten und Dienstleistern geführt haben. Das wird funktionieren.

Was sollen die Vermieter beisteuern?

Döhmen Wir haben uns 20 ausgewählte Filialen angeguckt und dabei festgestellt, dass wir teilweise erheblich, im Durchschnitt sechs Prozent über den Vergleichsmieten liegen. Wir reden da von Beträgen, die sich schon mal im mittleren fünfstelligen Bereich pro Jahr bewegen können.

Aber auch wenn die Vermieter ihre Mietforderungen senken, sind nicht alle Filialen zu retten.

Döhmen Nein. Manche Filialen machen bis zu einer halben Million Euro Verlust. Da ist der Weiterbetrieb kaum zu verantworten.

Wie viele Verlustbringer gibt es?

Döhmen Mehr als drei Viertel unserer 96 Filialen sind profitabel, einige überaus erfolgreich. Aber es gibt auch solche, die Geld verdienen, aber auf den Prüfstand kommen. Das dauerhafte Bestehen einer Niederlassung hängt nicht nur an der aktuellen Profitabilität. Es gibt zum Beispiel auch Untersuchungen, wie sich die Kaufkraft in einer Region in den nächsten Jahren entwickeln wird. So etwas spielt auch eine Rolle. Die Filialen, die nicht weiterlaufen können, sollen bis Mitte des Jahres geschlossen werden.

Wie viel sollen die Kostensenkungen unter dem Strich bringen?

Döhmen Wir wollen pro Jahr ungefähr 20 Millionen Euro sparen. Wir müssen aber auch Filialen modernisieren, und dafür werden wir rund zehn Millionen Euro aufwenden. Wir können diese Schlacht nicht allein auf der Kostenseite gewinnen.

Das Sanierungsprogramm geht aber sicher nicht ohne Stellenabbau.

Döhmen Diese Frage werden wir zunächst mit den Arbeitnehmern und ihren Vertretern besprechen und danach, wie es sich gehört, erst die Belegschaft und dann die Öffentlichkeit informieren.

Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?

Döhmen Unmittelbar nach dem Schutzschirm-Antrag war sie schlecht. Das hat sich verändert. Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass die Mitarbeiter, die für Januar kein Gehalt mehr bekommen hatten, durch das Schutzschirm-Verfahren drei Tage nach dem Antrag teilweise wieder Geld auf dem Konto hatten. Wir kommunizieren transparent, das ist das Wichtigste.

Was hat Strauss in den vergangenen Jahren eigentlich falsch gemacht?

Döhmen Strauss Innovation hat zum Beispiel zu viele Rabattaktionen gefahren, die die Gewinnspanne aufgefressen haben. Frühere Manager haben in der Vergangenheit versucht, das Unternehmen als Discounter zu positionieren. Das war der falsche Weg. Wir wollen exklusiver sein. Wir müssen die Bedürfnisse unserer Kunden antizipieren.

Bleibt das Management nach erfolgreicher Sanierung im Amt?

Döhmen Das ist eine Frage, die die Eigentümer beantworten müssen.

Wird es einen neuen Eigentümer geben?

Döhmen Bislang zeigen sich bereits mehr als ein Dutzend — sowohl strategische als auch Finanzinvestoren — ernsthaft interessiert.

Kann nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre ein Finanzinvestor überhaupt eine gute Lösung sein?

Döhmen So könnte man argumentieren nach den Erfahrungen mit EQT und Sun Capital. Aber Finanzinvestor ist nicht gleich Heuschrecke. Bei Grohe zum Beispiel hat man gesehen, dass ein Finanzinvestor die Dinge zum Guten wenden kann.

Was bei Strauss offensichtlich nicht möglich war.

Döhmen Der Eigentümer Sun Capital wollte nicht mehr als 40 Prozent der entstandenen Liquiditätslücke schließen und für den Rest einen Partner ins Boot holen. Das hat nicht funktioniert, weil den Kandidaten die Forderungen von Sun Capital zu hoch waren. Und wenn ein Eigentümer kein Eigenkapital mehr zur Verfügung stellen will, wird es schwerer, Fremdkapital zu mobilisieren.

Wie sehr hat der schlechte Ausgang der Verhandlungen Kunden und Lieferanten verschreckt?

Döhmen Bei den Kunden stellen wir das nicht fest. Wir haben seit Jahresbeginn knapp 21,5 Millionen Euro umgesetzt, eine Million Euro mehr als im Vorjahreszeitraum.

Sind Lieferanten abgesprungen?

Döhmen Abgesprungen ist keiner. Aber es gab und gibt einige, die uns bei Zahlungsfristen unter Druck gesetzt haben. Sie wollten Vorkasse. Andere waren kompromissbereiter. Wenn es dem Unternehmen wieder bessergeht, wird man sich bei Strauss daran erinnern, wer einem geholfen und wer einen geärgert hat.

Wenn es dem Unternehmen wieder bessergehen soll, muss sich auch beim Sortiment etwas ändern.

Döhmen Es gibt eine einfache Messlatte: Der Kunde muss wissen, wofür Strauss steht. Das war zuletzt nicht so, da war Strauss in Teilen gewöhnlich statt innovativ geworden. Das Sortiment muss qualitativ hochwertig, aber bezahlbar sein. Der stationäre Handel hat nur eine Chance, wenn er ein Einkaufserlebnis bietet.

So oder ähnlich formulieren das viele in der Branche. Was heißt das konkret für Strauss?

Döhmen Das heißt zum Beispiel, dass wir die Welten von Mode, Home Living und kulinarischen Genüssen miteinander verbinden. Produktsortimente wie Bettwäsche und den Badbereich um Wellness und Kosmetika ergänzen könnten. Oder dass wir eine eigene Cashmere-Produktwelt schaffen und übers Jahr nicht nur Pullis, sondern auch Handschuhe und Schals anbieten können. Wir müssen klarmachen, wo unsere Kompetenz liegt.

Georgs Winters stellte die Fragen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort