Rastatt Streckensperrung trifft Wirtschaft

Rastatt · Seit die Gleise der wichtigen Nord-Süd-Bahnstrecke bei Rastatt absackten, müssen Züge und Waren großräumig umgeleitet werden. Die Folgen belasten die Industrie und Betreiber von Güterbahnen - Besserung ist nicht so schnell in Sicht.

Die Sperrung der Rheintalstrecke führt in der deutschen Wirtschaft zu beträchtlichen Umsatzausfällen. Der Schaden wird sich allein für die Güterbahnen auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen. Zu dieser Einschätzung kommt das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), laut dem zwei kleineren Unternehmen durch die Sperrung sogar die Insolvenz drohe. Auch die Chemie-, Papier- und Mineralölbranche trifft die Sperrung der wichtigen Nord-Süd-Bahnstrecke hart.

Am 12. August waren in eine nur fünf Meter unter den Gleisen liegende Tunnelbaustelle Wasser und Erdreich eingedrungen. Die Schienen sackten ab, die Strecke wurde sofort gesperrt. Wie es dazu kommen konnte, ist weiterhin unklar. Die Deutsche Bahn hatte zwar am Wochenende mitgeteilt, dass man mit dem Bau einer Stahlbetonplatte über dem Tunnel begonnen habe. Die Sperrung des wichtigsten europäischen Schienenkorridors soll jedoch voraussichtlich erst am 7. Oktober wieder freigegeben werden.

Auf der Strecke fahren üblicherweise täglich bis zu 200 Züge. Während Fahrgäste zwischen Rastatt und Baden-Baden auf Busse umsteigen müssen, gibt es im Güterverkehr noch größere Probleme. Laut NEE verlieren allein die Güterbahnen seit Beginn der Sperrung wöchentlich zwölf Millionen Euro. Im September sollen die Ausfälle nach dem Ende der Ferienzeit auf wöchentlich 15 bis 20 Millionen Euro ansteigen. "Es muss stark improvisiert werden", sagte NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger unserer Redaktion. Momentan werden nach einer Schätzung des NEE nur etwa 20 Prozent des üblichen Ladevolumens über Ausweichstrecken abgewickelt.

Dazu verursachen die Umleitungen zusätzliche Kosten, da auf den längeren Ausweichstrecken mehr Züge und Lokführer benötigt werden. Häufig stören Baumaßnahmen den Betrieb, oder es dürfen nur kürzere Züge auf den Strecken fahren. Außerdem muss man mitunter auf Diesel-Lokomotiven umsteigen, da einige Ersatzstrecken noch nicht elektrifiziert sind. Auf anderen Strecken sind dagegen die Tunnel für die Durchfahrt von Containern und Sattelauflegern zu klein. "Man hangelt sich von Tag zu Tag", sagte Westenberger.

Ähnlich hart trifft es die Chemieindustrie. Zwar könne etwa die Hälfte der betroffenen Transporte umgeleitet werden, dennoch rechnet man beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) damit, dass es bei der Belieferung von Kunden mit Rohstoffen zu Schwierigkeiten kommen könnte. Zudem würden sich durch die Verlagerung von der Schiene auf die Straße die Transportkosten erhöhen. "Schon heute besteht ein Engpass bei Spezial-Ausstattung wie Tankcontainern oder Kühlfahrzeugen", sagt Andrea Heid, die beim VCI für den Bereich Umweltschutz, Anlagensicherheit und Verkehr zuständig ist.

Die Deutsche Bahn versucht den Schaden für die Betroffenen möglichst klein zu halten. So würden etwa den Betreibern von Güterbahnen keine höheren Kosten in Rechnung gestellt, obwohl die Umleitungen über alternative Strecken teurer sind als die übliche Trasse. Darüber hinaus werden den Unternehmen bei Bedarf Diesel-Lokomotiven zur Verfügung gestellt, heißt es. Außerdem werden Baumaßnahmen auf den Ersatzstrecken zum Teil gekürzt oder verschoben. Zudem ist die betriebsfreie Nachtruhe auf einigen Strecken aufgehoben worden.

Die Bevölkerung habe aber keine Versorgungsengpässe zu befürchten, betonte eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Für einige Industriekunden ist die Sperrung nach knapp zwei Wochen jedoch deutlich spürbar, obwohl ein nennenswerter Anteil der Fracht derzeit auch auf Schiffe und Lastwagen verlagert wird.

Der Ärger in den betroffenen Branchen ist dennoch groß. So kritisieren VCI und NEE insbesondere das Risikomanagement der Deutschen Bahn. Der NEE hat den Verkehrsausschuss des Bundestages deshalb aufgefordert, sich in einer Sondersitzung mit der Thematik zu befassen. Auch die Grünen haben diese für Anfang September beantragt, erklärte zuletzt die erste parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann.

(RP)
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