Düsseldorf Studie: Krankenversicherung wird teurer

Düsseldorf · Alle Versicherten müssen sich auf Beitragserhöhungen einstellen. Bei der gesetzlichen Versicherung lassen Reformen die Kosten explodieren, und die privaten Anbieter stecken in der Zinsklemme: Kapitalanlagen werfen kaum Rendite ab.

Für Kassenpatienten soll der durchschnittliche Zusatzbeitrag, den nur die Versicherten bezahlen, in den nächsten zwei Jahren von heute 0,82 auf 1,32 Prozent steigen. Das geht aus einer Analyse von Jürgen Wasem hervor, Experte für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen. Damit prognostiziert der Professor eine schnellere Steigerung als der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Derzeit zahlt beispielsweise ein Kunde der Techniker Krankenkasse einen Aufschlag von 0,8 Prozent. Bei einem Einkommen von 3000 Euro sind das 24 Euro pro Monat. Schon 2017 könnten es fast 40 Euro sein - also fast doppelt so viel. Dabei dürfte es aber große Unterschiede geben. So verlangen die BKK Euregio und Metzinger derzeit gar keinen Zuschlag, während die Spitzenreiter IKK Nord und Brandenburgische BKK schon heute 1,3 Prozent mehr kassieren.

Laut Wasem steigen die Ausgaben der Kassen wegen der Krankenhausreform, und weil Ärzte auf dem Land künftig höhere Honorare bekommen sollen. Zudem gibt es hohe Steigerungen beim Krankengeld, bei Hilfsmitteln und der Schmerztherapie. Wasem: "Diese Bereiche werden pro Jahr um mehr als 20 Prozent teurer." Kassenpatienten sollten sich daher schon heute um einen Wechsel zu einer günstigen Kasse kümmern.

Noch heftiger dürften die Beitragserhöhungen in den nächsten Jahren für Privatpatienten ausfallen. Während im Neugeschäft die Beiträge schon deutlich erhöht wurden, stehen die Anpassungen den über 8,8 Millionen Altkunden der Privaten Krankenversicherung (PKV) noch bevor. Aktuell hat beispielsweise die R+V Versicherung ihre neuen Prämien für 2016 bekanntgegeben und Erhöhungen bis knapp elf Prozent angekündigt. Bei Altkunden könnte eine solche Erhöhung, wenn gleichzeitig der Rechnungszins auf 3,0 Prozent reduziert würde, fast 22 Prozent ausmachen, rechnet Versicherungsberater Björn Lenz von Minerva Kundenrechte aus München vor.

"Viele Tarife wurden länger nicht angepasst und haben großen Nachholbedarf", erklärt Lenz. Der "Erhöhungsstau" entsteht, weil die privaten Anbieter ihre Tarife nur dann verändern dürfen, wenn die Kosten deutlich steigen oder Menschen erheblich älter werden. Das war in den vergangenen Jahren aber nicht der Fall. Werden die sogenannten Auslöseschwellen nun überschritten, droht eine regelrechte Kostenexplosion. "Dann müssen alle Berechnungsgrundlagen bei den Versicherern auf den neusten Stand gebracht werden", erläutert Peter Schramm, PKV-Sachverständiger aus Diethardt im Taunus.

Neben den Kosten muss wohl der Rechnungszins abgesenkt werden. Bisher rechnen die Versicherer bei Altkunden überwiegend mit 3,5 Prozent. Soviel Rendite kann aber mit Kapitalanlagen gar nicht mehr erzielt werden. Daher muss der Zins deutlich gesenkt werden. Für neue Verträge gelten bereits meist 2,75 Prozent. Solche Zusammenhänge dürften vielen Privatpatienten nicht bewusst sein. "Dass die private Krankenversicherung ein Anspar- und Entsparprozess ist, weiß kaum ein Kunde", fürchtet Marcus Kremer, Vorstand bei der Continentale.

Abgenommen hat die starke Abwerbung von Kunden durch die Konkurenz. Der Wechsel war für Kunden wegen des Verlustes ihrer Alterungsrückstellung ohnehin fast immer unrentabel. In diesen Fällen wurden Rücklagen für die verbleibenden Kunden einbehalten. Solche Gewinne sind indes vielfach schon einkalkuliert und erhöhen zusätzlich den Druck auf die Krankenversicherungsprämien.

(RP)
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