Wegen angeblicher Suizid-Gefahr Anwälte: Middelhoff durfte 28 Tage nicht schlafen

Essen · Die Anwälte des ehemaligen Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff erheben schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Der 61-Jährige sei während seiner U-Haft vier Wochen lang alle 15 Minuten geweckt worden. Die Anstaltsleitung wollte damit offenbar sicherstellen, dass sich Middelhoff nicht das Leben nahm.

Managerabstürze: Middelhoff, Homm, Zumwinkel
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Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, geben die Anwälte an, Middelhoff habe zu Beginn seiner Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Essen über einen Zeitraum von 672 Stunden nicht schlafen können. Er sei tagsüber und nachts alle 15 Minuten geweckt worden, um einen Selbstmordversuch auszuschließen. Bei einer solchen Kontrolle schalten die Beamten zunächst das Licht in der Zelle ein, wenn sie kein Lebenszeichen erkennen können, müssen sie den Häftling wecken.

Middelhoffs Anwälte reichten dem Bericht zufolge eine Haftbeschwerde beim Oberlandesgericht Hamm ein, mit der sich das Gericht bereits Mitte März befasste. Darin zweifeln sie an, dass überhaupt eine Suizid-Gefahr bestanden habe. Ein Arzt der JVA habe drei Tage nach Middelhoffs Haftantritt keinerlei Anzeichen dafür festgestellt.

Zudem sei kein Fall bekannt, in dem ein Häftling derart lange Schlafentzug ausgesetzt gewesen sei. Die Anwälte ziehen der "Bild am Sonntag" zufolge sogar einen Vergleich zu dem berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo, wo die Höchstdauer des Schlafentzugs bei 180 Stunden gelegen habe.

Middelhoffs Anwälte vermuten in ihrer Haftbeschwerde, die Behandlung in der JVA sei der Auslöser für die gesundheitlichen Probleme ihres Mandanten. Bei Middelhoff wurde vor Kurzem die seltene Autoimmunerkrankung Chilblain Lupus diagnostiziert, die unter anderem schmerzhafte Schwellungen auf der Haut verursacht.

Der Chef der JVA Essen, Alfred Doliwa, sagte der "Bild am Sonntag", die Kontrollen seien nötig gewesen, weil das Leben des Gefangenen in einem solchen Fall Vorrang habe: "Wenn jemand alles zu verlieren droht, ist das der typische Fall eines Bilanz-Selbstmordes." Nach mehreren Gesprächen mit Middelhoff sei er schließlich zur Überzeugung gekommen, dass die Überwachung nicht mehr nötig sei.

Das Essener Landgericht hatte den einstigen Spitzenmanager Middelhoff im November 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt und noch im Verhandlungssaal einen Haftbefehl gegen ihn verkündet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft, mehrere Beschwerden gegen die Haft blieben wegen Fluchtgefahr erfolglos.

Der frühere Arcandor-Chef legte gegen das Landgerichtsurteil Revision ein, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat. Vor wenigen Tagen stellte Middelhoff Antrag auf Privatinsolvenz.

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