Trotz Mindestlohn Fast jeder Vierte arbeitet im Mini-Job

Berlin · Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist wieder gestiegen. Vor allem Frauen und immer mehr Ältere gehören dazu. Die meisten arbeiteten im vergangenen Jahr im Einzelhandel. Kritiker sehen die Gefahr zunehmender Altersarmut.

Beschäftigte in der Gastronomie (Symbolbild).

Beschäftigte in der Gastronomie (Symbolbild).

Foto: Axel Heimken

Trotz Einführung des Mindestlohns Anfang 2015 ist die Zahl der Mini-Jobber in Deutschland wieder gestiegen. Im Dezember 2016 lag sie 2,2 Prozent höher als im März 2015. Rund 7,63 Millionen Menschen arbeiteten im vergangenen Jahr in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Das waren 23 Prozent aller abhängig Beschäftigten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Mini-Jobs bis zu der zulässigen Monats-Entgeltgrenze von 450 Euro sind für Beschäftigte weitgehend abgaben- und steuerfrei. Deshalb sind sie für viele Arbeitnehmer attraktiv. Rund ein Drittel der Mini-Jobber übt diesen als Nebenjob aus. Ausschließlich geringfügig beschäftigt - und damit ohne andere sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - arbeiteten fast 4,8 Millionen Menschen. Viele, aber längst nicht alle von ihnen tun das, um sich etwas zum Studium oder zur Rente dazu zu verdienen - oder um als Hausfrau oder Hausmann das Haushaltseinkommen aufzubessern.

Wer einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, ist durch den Mini-Job in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung allein aber nicht abgesichert. Seit 2013 sind Mini-Jobber zwar auch rentenversichert, doch können sie sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen, wovon sehr viele Arbeitnehmer Gebrauch machen. Der Arbeitgeber führt einen pauschalen Beitrag zur Kranken- und Rentenversicherung plus Lohnsteuer zwischen 25 und 30 Prozent des Bruttolohns ab, daraus ergibt sich für Arbeitnehmer aber kein Versicherungsschutz.

Kritik an den über sieben Millionen Mini-Jobs wurde immer wieder laut: Sie seien ein Mittel zur Lohndrückerei und erhöhten die Altersarmut, da durch sie keine Rentenansprüche erworben werden.

Knapp 60 Prozent oder über drei Millionen der Mini-Jobber waren der Regierungsantwort zufolge 2016 Frauen. Für viele von ihnen ergibt sich wegen deutlich geringerer Rentenansprüche ohnehin schon ein Altersarmutsproblem.

Zudem waren 22 Prozent der Mini-Jobber 2016 älter als 60 Jahre alt. Damit stieg der Anteil der Älteren mit geringfügiger Beschäftigung um 48 Prozent gegenüber dem Stand von vor zehn Jahren. Allein die Zahl der Mini-Jobber im Rentenalter über 65 Jahre kletterte um 38 Prozent im Vergleich zu 2006 auf heute über eine Million.

Dem Papier zufolge arbeiteten Mini-Jobber im Schnitt 11,8 Wochenstunden. Ihr durchschnittlicher Bruttostundenlohn habe 2014 bei 9,40 Euro gelegen. Im Westen verdiente ein Mini-Jobber im Schnitt 9,58 Euro, im Osten nur 7,86 Euro. Damit lag der Lohn eines Mini-Jobbers um 55 Prozent unter dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst aller Arbeitnehmer von 16,57 Euro. Nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 pro Stunde war die Zahl der Mini-Jobs Anfang 2015 kurzzeitig um 93.000 gesunken, wie aus der Antwort hervorgeht. Später stieg sie bis Ende 2016 jedoch wieder an.

Die meisten Mini-Jobber arbeiteten den Daten zufolge im vergangenen Jahr im Einzelhandel. Auf den Handel entfielen 895.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, gefolgt von der Gastronomie (rund 780.000), der Gebäudereinigung (rund 600.000) und dem Gesundheitswesen (433.000). Menschen ohne Berufsabschluss seien unter den Mini-Jobbern mit 21,5 Prozent im Vergleich zu allen Erwerbstätigen überrepräsentiert. Auffallend hoch seien Helfertätigkeiten mit einem Anteil von 45 Prozent, so die Antwort der Regierung.

"Minijobs sind unsicher, niedrig entlohnt und führen zu Minirenten. Sie sind eine Falle besonders für Frauen", sagte Linken-Politikerin Jutta Krellmann. 4,3 Millionen Mini-Jobbende hätten mindestens einen Berufsabschluss. Das sei ein Indiz dafür, dass für sie auch bessere als Helfertätigkeiten möglich seien. "Es ist doch ein Skandal, wenn über eine Million Menschen über 65 Jahren einen Minijob benötigen, um ihr Auskommen zu sichern", sagte Krellmann. Mini-Jobs würden nicht mehr Arbeit schaffen, sondern diese nur auf mehr Köpfe verteilen.

(mar)
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