Multi-Unternehmer Elon Musk Überflieger, Übertreiber

Palo Alto · Elon Musk ließ am Mittwoch einen Tesla Roadster mit einer Riesenrakete ins All schießen. Sein Autobauer Tesla dagegen kommt nicht hoch und schreibt immer noch tiefrote Zahlen. Der 46-Jährige verspricht mitunter zu viel.

Elon Musk, Gründer von Tesla und Space X, bei einem Gespräch mit Journalisten zum Start der "Falcon Heavy".

Elon Musk, Gründer von Tesla und Space X, bei einem Gespräch mit Journalisten zum Start der "Falcon Heavy".

Foto: dpa, JR hjb

Vorige Woche zeigte Multi-Unternehmer Elon Musk wieder einmal, dass sein Ehrgeiz keine Grenzen kennt. Das von ihm gegründete Raumfahrtunternehmen Space X schoss mit einer riesigen Rakete des Typs Falcon Heavy einen roten Tesla Roadster ins Weltall. Es schien, als habe der 46-Jährige fast schon Übermenschliches erreicht.

Allzu menschlich wirken dagegen die Zahlen des Autobauers Tesla, den Musk seit 2004 führt. Als erster Anbieter ausschließlich von Elektroautos soll Tesla alle etablierten Fahrzeugbauer auf dem Globus abhängen. Nach vielen Jahren mit hohen Verlusten bei der Luxusauto-Fertigung soll der Durchbruch mit dem Tesla Model 3 bei Mittelklassewagen kommen. Er kostet rund 38.000 Euro. Doch die aktuellen Quartalszahlen sind verheerend. Das Minus lag zuletzt bei umgerechnet 630 Millionen Euro in drei Monaten - so hoch war der Verlust 2016 im ganzen Jahr gewesen. 2017 kam ein Verlust von 1,8 Milliarden Euro zusammen. Für den Model 3 lagen zwar mehrere hunderttausend Vorbestellungen vor, aber es gelang nur, 2400 Stück in drei Monaten herzustellen - die Produktion von VW in zwei Stunden.

Dass die Tesla-Aktie dennoch nicht einbrach, hatte drei Gründe: Erstens hatten die meisten Investoren noch höhere Verluste befürchtet. Zweitens hat das Papier, gemessen am Markt, in den vergangenen drei Monaten schon mehr als ein Drittel des Spitzenwertes verloren. Und drittens hat Musk ein beeindruckendes Talent, für seine Visionen zu werben - und notfalls Fehler zuzugeben: "Wir waren ein bisschen zu selbstsicher", erklärt er, fügt aber auch an: "2018 wird für Tesla eine gewaltige Veränderung mit sich bringen." Ende Juni rechne er mit einer Produktion von 5000 Model-3-Exemplaren pro Woche. Nur dieses Versprechen hält den Unternehmenswert bei 41 Milliarden Euro.

Wer ist dieser Visionär und Fanatiker des menschlichen Fortschrittes? Die Antwort: ein hyperintelligenter Visionär, hart zu sich selbst und anderen, mit blühender Vorstellungskraft und fotografischem Gedächtnis, dem Logik auf eine fast roboterhafte Art über alles geht. Jemand, der sagte: "Vielleicht habe ich ja als Kind zu viele Comics gelesen, aber Comic-Helden wollen immer die Welt retten. Und natürlich sollte man die Welt zu einem besseren Ort machen wollen - das Gegenteil ergibt ja keinen Sinn."

Die Medien liebten den exzentrischen Erfolgsmenschen jahrelang, seine heutige Ex-Frau Justine bloggte über das Leben des Promi-Pärchens. Der Hollywood-Schauspieler Robert Downey Junior sorgte dafür, dass "Iron Man" einen Tesla fuhr und sprach darüber, dass er den Playboy im Anzug des Superhelden und Musk als Seelenverwandte sehe.

Doch die Realität sah bald düster aus. 2008 näherte sich Musk in Riesenschritten dem Bankrott. Die Welt zu verändern, dauerte länger, als der notorisch optimistische Antreiber eingeplant hatte. Allein "Space X" verschlang 100.000 Dollar pro Tag. Was ihn letztlich rettete, war Glück: Am 23. Dezember 2008 beauftragte die NASA Space X mit der Durchführung von Versorgungsflügen zur Internationalen Raumstation ISS im Wert von 1,6 Milliarden Dollar. Der Emporkömmling hatte gesiegt über Giganten wie die "United Launch Alliance" aus Boeing, Lockheed Martin und deren 1200 Zulieferer.

Nach einer ähnlich dramatischen Abfolge von Rückschlägen hofft Musk nun, Tesla zu retten. Auch hier lautet das Zauberwort Effizienz: Anstelle von hunderten hat ein Tesla lediglich rund ein Dutzend bewegliche Teile. Zu Musks nächsten Projekten zählt die Hochgeschwindigkeits-U-Bahn "Hyperloop", die Tempo 1000 erreichen soll - etwa zwischen Los Angeles und San Francisco oder Paris und Amsterdam. Eine Nummer kleiner geht es bei ihm nicht. "Im ersten Schritt muss man dafür sorgen, dass etwas nicht mehr als unmöglich gilt", sagt er. "Dann arbeitet man daran, dass es immer wahrscheinlicher wird."

Im Unterschied zu Apple-Gründer Steve Jobs, dessen Marketingstrategie er kopiert hat und mit dem er viele Charakterzüge wie Perfektionismus und grenzenloses Selbstbewusstsein teilt, schreckt ihn auch persönliches Risiko nicht. Auf einer seiner Geburtstagspartys stellte sich Musk als Ziel für einen Messerwerfer zur Verfügung, mit Ballons in den Händen sowie zwischen seinen Beinen. "Ich machte mir durchaus Sorgen, dass er einen schlechten Tag haben könnte", sagt Musk dazu, "Aber ich dachte, er würde maximal einen Hoden treffen, nicht beide."

"Falcon Heavy": Superrakete hebt ab
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Superrakete "Falcon Heavy" hebt ab

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Foto: SpaceX/Handout via Reuters

Musk macht praktisch alles anders als gewohnt, und er kennt nur ein Tempo: Vollgas. Nachdem er und seine frühere Frau einen Sohn verloren hatten, bekam das Paar direkt Zwillinge und Drillinge - er verschwieg nicht, dass eine Fruchtbarkeitsklinik geholfen hatte.

Der Mann ist gnadenlos. Beim Hochzeitstanz soll er seiner heutigen Ex-Frau ins Ohr geraunt haben: "Ich bin das Alpha-Tier in dieser Beziehung". Wenn sie ihn erinnerte: "Ich bin deine Frau, nicht deine Angestellte", soll er erwidert haben: "Wenn du meine Angestellte wärst, würde ich dich feuern." Auf eine kritische Frage zu den Gefahren von fahrerlosen Autos warf er dem Journalisten vor, seinerseits mit jedem diesbezüglichen Artikel "praktisch Menschen zu töten", weil Autopiloten dafür sorgen würden, die Zahl der Verkehrstoten zu senken.

Untergebenen verlangt Musk alles ab. Ashlee Vance berichtet in seiner Musk-Biografie von einer Mail des Chefs an einen Mitarbeiter, der sich zur Geburt seines Kindes freigenommen hatte. Wortlaut: "Das ist keine Entschuldigung. Ich bin extrem enttäuscht. Wir verändern hier die Welt, die Geschichte. Das geht nur ganz oder gar nicht." Zeitpläne von Mitarbeitern erwartet er nicht für Wochen oder Tage, sondern auf Minuten genau. Gwynne Shotwell, Präsidentin von Space X und Musks wichtigste Vertraute, hat seinen Führungsstil so kommentiert: "Bevor ich hier anfing, habe ich noch schnell mein Badezimmer renoviert, weil ich wusste, neben diesem Job würde ich kein Leben mehr haben."

(tojo)
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