Abgas-Skandal erschüttert Autohersteller Das Diesel-Drama

Stuttgart · Rudolf Diesels Erfindung hat die Welt verändert, nun schädigt sie die Gesundheit vieler Menschen. Durch Tricksereien bei Abgasen haben die Autohersteller den Selbstzünder in Misskredit gebracht – und setzen dessen Zukunft damit aufs Spiel.

 Erfinder und Ingenieur Rudolf Diesel (1858 - 1913).

Erfinder und Ingenieur Rudolf Diesel (1858 - 1913).

Foto: DB MAN-Archiv Augsburg

Rudolf Diesels Erfindung hat die Welt verändert, nun schädigt sie die Gesundheit vieler Menschen. Durch Tricksereien bei Abgasen haben die Autohersteller den Selbstzünder in Misskredit gebracht — und setzen dessen Zukunft damit aufs Spiel.

Bis heute ist unklar, was in jener September-Nacht im Jahre 1913 an Bord des Passagierdampfers "Dresden" geschah. Rudolf Diesel hatte noch zu Abend gegessen, dann verschwand er. Erst Tage später fand man die aufgedunsene Wasserleiche des Erfinders des Diesel-Motors. War es Selbstmord? Unfall? Oder vielleicht Mord? Das ist bis heute ein Rätsel.

Vielleicht wird man sich die Frage bald auch bei Diesels Erfindung stellen: Wie konnte das passieren? Denn auch das Leben des Diesel-Motors könnte bald vorbei sein. Anders als sein Entwickler verschwindet er aber nicht über Nacht. Es ist ein schleichender, quälender Tod. Auch hier kursieren verschiedene Theorien, wie es dazu kommen konnte. Für manche ist es ein kaltblütiger Mord, ein Komplott der USA, um die überlegene deutsche Autoindustrie zu schwächen. Andere werden irgendwann vielleicht zum Schluss kommen, dass es Selbstmord gewesen ist.

Denn am Ende des Dieselmotors, das wird immer deutlicher, wären die 5 Hersteller des Dieselmotors wohl selbst schuld. Zunächst war es der VW-Konzern, der zugeben musste, bei Millionen Diesel-Fahrzeugen weltweit manipuliert zu haben. Dann zeigten Tests, dass die Werte auch bei anderen Herstellern nicht viel besser aussehen. Und nun werden auch die Ermittlungen gegen Daimler konkreter. Auch hier steht der Verdacht im Raum, das Unternehmen habe mittels illegaler Software auf dem Prüfstand bessere Abgaswerte erzeugt als im realen Straßenverkehr.

Die Politik hat dieses Vorgehen jahrelang ignoriert - und auch jetzt leistet sie nur halbherzig erste Hilfe, weil drohende Fahrverbote in Städten wie Düsseldorf, Essen, Stuttgart oder München kurz vor der Bundestagswahl die Wähler erzürnen. Denn die leiden nicht nur unter dem erhöhten Stickoxid-Ausstoß, der EU-weit angeblich jedes Jahr für rund 400.000 Todesfälle verantwortlich ist, sondern müssen auch den Preis dafür zahlen, dass der Staat die Auto-Industrie so lange gedeckt hat. "Die Bürger müssen Fahrverbote fürchten und sinkende Restwerte bei ihren Diesel-Fahrzeugen hinnehmen", sagt Ferdinand Dudenhöffer, Auto-Experte von der Uni Duisburg-Essen.

Eigentlich ist das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für die Genehmigung der Fahrzeuge zuständig - der Behörde obliegt es damit auch, die Fahrzeuge auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen. Doch das geschah nur unzureichend. Immerhin: Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" lässt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nun noch einmal Diesel-Fahrzeuge von Daimler vom KBA daraufhin untersuchen, ob der Schadstoffausstoß manipuliert wurde. Theoretisch könnte die Behörde, sollten Manipulationen bekanntwerden, auch im Nachhinein die Typengenehmigung der Fahrzeuge entziehen. Doch davor scheut die Behörde weiter zurück. Zum Fall Daimler wollte sich das KBA gestern nicht äußern.

Stattdessen versuchen Politik und Wirtschaft gemeinsam, den Diesel-Motor zu retten. Denn ohne den Selbstzünder dürfte es für die Konzerne schwer werden, die europäischen Klimaziele beim CO2-Ausstoß zu erreichen. Denn während Rudolf Diesels Erfindung heute zwar mehr Stickoxide ausstößt als Benziner, liegen die CO2-Werte niedriger.

Gleichzeitig bedroht die Diesel-Krise Arbeitsplätze - für die Montage von Elektroautos werden deutlich weniger Menschen gebraucht. Betriebsräte fordern daher, dass möglichst viele Teile künftig hierzulande gebaut werden. So sollen etwa im Daimler-Werk in Stuttgart-Untertürkheim künftig Batterien und Antriebssysteme für E-Autos entstehen. Aus Sicht von Herstellern, Politik und Gewerkschaften geht es um einen sanften Übergang, so dass die Belegschaft langsam angepasst werden kann. Auch die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska sagt: "Ein rascher Zusammenbruch des Dieselmarktes in Europa aufgrund lokaler Fahrverbote liegt in niemandes Interesse. Er würde die Industrie lediglich der Mittel berauben, die sie braucht, um in emissionsfreie Fahrzeuge zu investieren."

Ein Diesel-Gipfel von Autokonzernen und Bundesregierung soll daher Anfang August eine Lösung bringen. Im Gespräch sind Nachrüstungen älterer Diesel-Modelle. Zuletzt philosophierten Politiker auch darüber, emissionsärmere Busse und eine bessere Verkehrssteuerung könnten die Belastung in den Städten so weit senken, dass Fahrverbote vom Tisch sind. Ferdinand Dudenhöffer hält das für Augenwischerei: "Der Gipfel bei der Kanzlerin wird ausgehen wie das Hornberger Schießen: Man wird Trostpreise verteilen."

Der Auto-Experte spricht von einem "Gipfel der Unehrlichkeit", mit dem das Volk vor der Wahl ruhiggestellt werden soll - bevor anschließend in drei bis vier Jahren doch noch Fahrverbote kommen.

(frin)
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