Abwicklung der Fluggesellschaft 100.000 weitere Air-Berlin-Flugtickets verfallen

Berlin/Düsseldorf · Am 28. Oktober beendet Air Berlin alle Flüge. Für die meisten stornierten Verbindungen gibt es fast kein Geld zurück. Ein drastischer Einbruch bei den Ticketverkäufen hat die Krise noch verschärft.

 Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin stellt zum 28. Oktober auch alle innerdeutschen und europäischen Flüge ein.

Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin stellt zum 28. Oktober auch alle innerdeutschen und europäischen Flüge ein.

Foto: dpa, rwe htf fux

Rund 100.000 zusätzliche Kunden sind von der Stornierung von Air-Berlin-Flügen betroffen. Weil die insolvente Airline zum 28. Oktober auch alle innerdeutschen und europäischen Flüge einstellt, werden Hin- und Rückflüge dieser 100.000 Passagiere zu Zielen wie beispielsweise München, Berlin oder Rom verfallen. Dies erfuhr unsere Redaktion aus Unternehmenskreisen. Air Berlin bestätigte den Vorgang auf Anfrage.

Die Stornierungen kommen zu den rund 100.000 Langstreckentickets hinzu, die bereits annulliert wurden, weil Air Berlin am kommenden Sonntag den letzten Flug nach Übersee abwickelt.

Für rund 90.000 der jetzt zusätzlich stornierten Kurzstreckenflüge wird es praktisch keine Erstattung geben, weil diese Flüge schon vor dem 15. August gebucht wurden. An diesem Tag hatte Air Berlin Insolvenz angemeldet. "Alle bis dahin aufgelaufenen Forderungen an das Unternehmen - also auch der Anspruch auf einen Flug - werden Teil der Insolvenzmasse", erklärte der Hamburger Insolvenzexperte Jörn Weitzmann. Die mögliche Entschädigung wird bei maximal zehn Prozent des Ticketpreises liegen, schätzen Branchenkenner.

Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, hält so niedrige Erstattungen für einen Skandal: "Wir brauchen die Verpflichtung zu einer Insolvenzversicherung für Flugreisen in Deutschland und Europa. Nur so können Reisende bei reinen Flügen genauso gut geschützt werden wie bei Pauschalreisen."

Nur rund 10.000 der 100.000 jetzt stornierten Hin- und Rückflugtickets wurden nach dem 15. August gebucht. Diese Flugkarten werden aber komplett erstattet, weil Air Berlin mit dem Versprechen einer vollen Rückerstattung für Buchungen nach dem 15. August einen Einbruch bei den Reservierungen verhindern wollte. Offenbar war diese Strategie erfolglos. "Wenn wirklich nur 10.000 Tickets für Reisen ab dem 28. Oktober gebucht wurden, ist das lächerlich wenig", sagte dazu der Hamburger Luftfahrtexperte Gerald Wissel. Dazu macht er folgende Rechnung auf:

Air Berlin bietet pro Tag weit mehr als 20.000 Tickets in Deutschland und Europa an, im Monat also mindestens eine halbe Million. Wenn ich nun also seit August für den ganzen Winter nur 10.000 Plätze verkauft habe, dann hat ein regelrechter Käuferstreik die Krise verschärft. Air Berlin musste also die Jets stilllegen, um weitere Verluste zu vermeiden."

Trotz des Endes aller Flüge - nur der unabhängige Ferienflugableger Niki hält den Betrieb aufrecht - könnten massenhafte Entlassungen von Piloten und Crews vorerst ausblieben. Der Grund ist, dass Air Berlin und die Lufthansa-Gruppe einen Weg gefunden haben, um viele der nicht mehr gebrauchten Flugzeuge weiterzunutzen: Sie sollen inklusive Crew für den Lufthansa-Ableger Eurowings Strecken bedienen. Für 38 Jets gibt es solche "Wet-Lease-Verträge" schon jetzt. 20 bis 30 Jets könnten dazukommen. "Die Leute von Lufthansa und Eurowings bemühen sich um weitere Startrechte", berichtete ein Branchenkenner, "und die zusätzlichen Kapazitäten mieten sie dann bei Air Berlin oder ihren Tochterfirmen an." Die Folge: "Faktisch fliegen die Crews so auf Strecken weiter, die Air Berlin jetzt aufgeben wird."

Dies alles ergänzt das Angebot der Lufthansa, die rund 80 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen will. Weil die Genehmigung eines solchen Vertrages durch die EU aber Monate dauern kann, müssen die Crews für eine Übergangszeit beschäftigt werden. Morgen soll entschieden werden, ob das Lufthansa-Angebot angenommen wird.

(RP)
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